Kali Darad - Königin der Arena (German Edition)
keine Frau, sondern eine Harpyie! Ein Un-ge-heu-er! Sie hätte dich genauso gut auffressen können. Jeder weiß doch, dass Harpyien am liebsten Kinder fressen!«
»Hat sie aber nicht «, setzte Nissa stur dagegen und streckte ihrem Bruder die Zunge heraus.
» Außerdem hat der Barde ja gut auf sie aufgepasst«, beendete ihre Mutter die Diskussion und legte ihrem Sohn eine beruhigende, jedoch auch zur Mäßigung gemahnende Hand auf die seine; der Junge zögerte kurz, kehrte aber dann mit einem resignierenden Grunzen wieder zu seinem Abendessen zurück.
» Und er hat Mama gezeigt, wie man guten Eintopf kocht«, sprang ihre große Tochter Marina in die Presche, schob sich einen weiteren Löffel in den Mund und kaute mit genüsslich zugekniffenen Augen und einem langgezogenen »Hmmmm« an dem köstlichen Bissen.
» Ganz genau«, gluckste Miranda und zwinkerte dem dunkelhaarigen Mädchen dankbar zu.
Dann schob sie sich die Rübe in den Mund und genoss die absonderlichen und gleichzeitig angenehmen Erinnerungen, welche der Geschmack in ihr hervorrief. Hatte sie sich doch tatsächlich, ohne es zu wissen, mit einer Harpyie angelegt, sie angeschnauzt und mit einer Armbrust bedroht. Und doch hatte ihr diese Bestie – die wunderliche bucklige Schrulle – nichts getan. Ihr nicht, und auch nicht ihren Kindern, die mit ihr an einem Tisch gesessen, oder ihren Ziegen, die mit ihr das Dach geteilt hatten. Und dann war da noch diese Nacht, die sie mit dem Barden verbracht hatte... Sie hatte ihn gewollt, hatte sich ihm hingeben und ihm jedes noch so kleine erotische Geheimnis entlocken wollen, dass er besitzen mochte – und noch mehr! Viel zu lange war es her, dass sich der letzte Mann zu ihr gelegt hatte. Viel zu lange hatte sie auf zärtliche Liebkosungen und leidenschaftliche Berührungen verzichten müssen. Und doch hatte ihr Taros Goll in jener Nacht viel mehr gegeben, als die Erfüllung ihrer lustvollen Begierden.
Sie musste schmunzeln, als sie daran dachte, wie sie vor der Buckligen in ihrem Stall gezetert und ihr gedroht hatte, während sie mit dem Barden mehrmals ihre Ziegen durchgezählt hatte. Doch so erheiternd die Erinnerung auch war, so sehr wollte sie sich am liebsten auch dafür ohrfeigen, denn sie war in ihrer Wut über die vermeintliche alte Vettel und ihrer Sorge um ihre geliebten Ziegen ein unverantwortliches, ja geradezu selbstmörderisches Risiko eingegangen. Hätte sich nämlich der Barde in jener Nacht als doch nicht so liebenswürdig entpuppt, oder die Harpyie gar die Nerven verloren, wäre es aus mit ihr gewesen. Mit ihr, und im schlimmsten Fall auch mit ihren Kindern.
Ohne ein weiteres Wort schob sich Miranda einen weiteren Löffel in den Mund und kaute abwesend auf dem geschmackvollen Gemüse herum. Bis die Stimme ihres Sohnes zu ihr durchdrang.
»Was ist, Durran?«, fragte sie und legte den Löffel neben der Schale auf den Tisch.
Ihr Sohn stand neben dem Fenster und deutete in die dunkle Nacht hinaus. Ein Wiehern ertönte auf dem Hof und machte seine nächsten Worte überflüssig. »Mama, da draußen sind Reiter.«
Sofort schoss die Ziegenhirtin kerzengerade in die Höhe und eilte schnurstracks in ihr Schlafgemach, nur um kurz darauf wieder mit ihrer Armbrust zu erscheinen.
» Kinder«, sagte sie, während sie die Waffe auf den Boden stellte, mit den Füßen auf die Stahlbügel stieg und die Sehne mit beiden Händen packte. »Verschwindet in euer Versteck.« Klickend rastete die Sehne ein. »Sofort!« Noch während ihre Mutter die Waffe wieder aufnahm und den Bolzen einlegte, huschten ihre drei Kinder fast lautlos in ihr Versteck und schlossen Luke hinter sich. »Ballgor«, zischte sie an ihren Hund gewandt, der mit gesträubtem Nackenfell bereits an der Tür stand und bedrohlich brummte. »Guter Hund«, schmunzelte sie grimmig und ging zum Fenster. Während sie auf das große quadratische schwarze Loch in der Wand zuging, hoffte ihr Herz, dass dort draußen gerade ein einsamer Barde in einem grünen Umhang von seinem schwarzen Hengst abstieg. Doch ihr Kopf hieß ihr Herz einen Traumtänzer. Wer auch immer dort draußen auf ihrem Hof angelangt war, er hatte mit Sicherheit nichts Gutes im Sinn.
Mit hart zusammengepressten Lippen und hämmerndem Herzen schob sich Miranda an den Rand des Fensters und spähte hinaus. Auf dem nachtschwarzen Hof tummelten sich vier dunkle Reiter mit stählernen Helmen, die in dem spärlichen Licht, dass aus dem Wohnhaus drang, bleich schimmerten. Es schien fast so,
Weitere Kostenlose Bücher