Kalifornische Sinfonie
Nachthemd aus einer der Kisten und begann sich auszukleiden. Dabei trällerte sie einen Schlager vor sich hin:
»Meine Großmutter pflegte zu sagen, Boys:
Sei sittsam und brav und bescheiden!
Denkt nur, wenn ich ihr gehorcht hätte, Boys:
Ihr möchtet mich alle nicht leiden.«
***
Ein paar Tage lang bekam Garnet Florinda kaum zu Gesicht. Sie sah sie dann und wann auf der Straße mit Penrose und Silky und einigen anderen Kalifornien-Händlern, aber Florinda winkte ihr dann jedesmal nur freundschaftlich zu, ohne stehenzubleiben. Mr. Bartlett sah Garnet überhaupt nicht mehr. Die Männer, die Oliver besuchten, erzählten, er stecke seine Nase kaum noch aus der Tür. Sie prophezeiten lachend, dies sei Bartletts letzte Reise nach Santa Fé gewesen; zukünftig würde er sicherlich in St. Louis bleiben und seine biedere Frömmigkeit bewundern lassen.
Sie lachten alle über Bartlett. Sie meinten prahlend, Florinda habe sie nicht narren können, nicht im geringsten und nicht für einen Augenblick. Es war sonderbar: Jeder, der über Florinda sprach, flocht irgendwann die Bemerkung ein, er habe die Wahrheit lange geahnt und die Enthüllung jeden Tag erwartet. Sie hätten nur nichts sagen wollen, meinten sie, aber eine Frau wie Florinda brauche ein Mann schließlich nur einmal zu sehen, um zu wissen, daß er keine naive und arglose junge Witwe vor sich habe, die sich durch den Reiz eines Abenteuers verlocken ließ. Jedermann habe das gesehen, prahlten sie, nur einer nicht: der Dummkopf Bartlett.
Wenn Garnet dieses Geschwätz hörte, ging sie jedesmal schnell in ihr Schlafzimmer, vergrub den Kopf in den Kissen und schüttelte sich vor Lachen. Ach, ihr wurde so viel klar. Wenn Männer eine Zeitlang gezwungen waren, ohne Frauen zu leben, benahmen sie sich nicht anders als Mädchen in der klösterlichen Abgeschiedenheit eines Internats.
John kam oft zu Oliver, aber er sprach nie über Florinda. Er sprach überhaupt selten über Dinge, die nicht unmittelbar mit dem Geschäft zusammenhingen.
Zehn Tage nachdem Florinda ihre Vorstellung in der Fonda gegeben hatte, erschien Oliver eines Nachmittags, um eine Liste zu holen. Er sagte, während er sich mit den Papieren beschäftigte, in nebensächlichem Ton: »Ich höre, Florinda wird auch mit nach Kalifornien gehen.«
Garnet war nicht sehr überrascht. Sie sagte nur: »Aber wie will sie hinkommen?«
»Man sagt, sie würde zusammen mit Penrose gehen.«
»Mit Penrose! Aber warum, um alles in der Welt, gerade mit ihm?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht einmal, warum sie nach Kalifornien will.« Oliver nahm ein Geschäftsbuch vom Tisch und wollte das Zimmer verlassen. »Vielleicht erfährst du es von ihr«, sagte er. »Ich bin bis zum Abendessen zurück.«
Während Oliver fortging, setzte Garnet sich wieder an den Tisch, um den Brief zu Ende zu schreiben, den sie ihren Eltern senden wollte. Mr. Reynolds wollte ihn mitnehmen, wenn er nach Missouri zurückfuhr.
Es wollte ihr nicht gelingen, sich auf den Brief zu konzentrieren. Sie schnitt sich eine neue Feder zurecht und starrte auf das Papier. Die Eltern waren ihr außer Oliver die liebsten Menschen auf der Welt, aber es gab so viel, was sie ihnen nicht schreiben konnte. Sie hatte versucht, ihnen die Landschaft zu schildern, sie hatte von den Büffeljagden erzählt und von den eigenartigen Häusern aus ungebrannten Ziegeln in Santa Fé; aber was sollte sie etwa über Florinda schreiben? Die Eltern würden nichts davon begreifen, und sie würden entsetzt sein, wenn sie hörten, mit welcher Art Männer ihre Tochter hier tagtäglich umging und wie ungeniert sich diese Männer in ihrer Gegenwart benahmen. Garnet hatte das Gefühl, sie würde sich nie mehr wie eine wohlerzogene junge Dame benehmen können, auch nicht, wenn sie im nächsten Jahr wieder nach Hause kam.
Sie war ganz froh, durch ein Klopfen an der Tür aus ihrem Sinnen gerissen zu werden. Florinda kam, um sich die Silberknöpfe wieder zu holen, die sie hier zurückgelassen hatte.
Während Garnet sie hervorkramte, sagte sie: »Ist es wahr, daß Sie mit nach Kalifornien gehen wollen, Florinda?«
»Ja, Darling«, antwortete Florinda, »es ist wahr. Ich ziehe mit euch.«
»Oh, ich bin froh. Bitte, erzählen Sie! Hat Sie Mr. Penrose gebeten, ihn zu begleiten?«
Florinda lachte: »Wenigstens ist er der Meinung.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ach, es ist einfach. Er hat mich, seit er mich zum erstenmal sah, immer wieder wie verzaubert angestarrt. Nun, und als ich Mr.
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