Kalifornische Sinfonie
Bartlett los war, da fing ich an, ihn auch anzustarren. Das ist alles.«
»Sie – lieben ihn?« fragte Garnet einigermaßen hilflos.
»Lieber Gott, ich mag ihn ganz gern. Er ist so ein süßer Schafskopf; es ist sicher sehr leicht, mit ihm auszukommen. Und er findet mich wunderbar. Er ist bis auf die Reise nach Santa Fé noch nie von seiner Farm weggekommen; offensichtlich ist er noch immer fassungslos, daß es ihm gelang, eine New Yorker Schauspielerin zur Freundin zu gewinnen. Er ist so verliebt, daß er kaum dazu kommt, seine Maulesel zu zählen und zu bewachen.«
Ihre Augen, sehr kluge und sehr wache Augen, streiften Garnet mit einem spöttischen Ausdruck.
»Sie ahnen gar nicht, wie erleichtert Silky Van Dorn ist«, sagte sie.
»Erleichtert? Weswegen?«
»Nun, er meint doch, er habe durch seine Schwatzhaftigkeit den ganzen Zauber veranlaßt. Und nun war er bange, ich würde mich an ihn halten und verlangen, daß er sich meiner annähme. Silky mag mich sehr gern, aber er hat keine Lust, sich jemand aufzuladen; er hat genug mit sich selber zu tun. Doch er ist so entzückend schuldbewußt. Er kam gleich am nächsten Tag, noch ganz benebelt vom Alkohol, zu mir, um mir zu sagen, daß ich selbstverständlich mit ihm rechnen könnte, wenn ich keine andere Möglichkeit hätte, nach Kalifornien zu kommen; es sei denn, ich wolle nach Missouri zurück. Ich sagte, er solle sich nur ja keine Sorgen machen, ich würde schon alles selber in Ordnung bringen. Sie ahnen nicht, wie erleichtert er war. Aber nun begann er meinen starken Charakter zu bewundern. Dagegen habe ich nichts; im Gegenteil: Ich habe es viel lieber, wenn mich jemand meines Charakters wegen als wegen meiner großen blauen Augen bewundert.«
Garnet hatte keine Ahnung, was sie auf all diese leicht und spielerisch hingeworfenen Bemerkungen erwidern könnte; aber sie dachte an die Zukunft: »Was wollen Sie in Kalifornien beginnen?« fragte sie.
»Wie soll ich das jetzt schon wissen!« versetzte Florinda. »Ich denke, wenn es mir dort nicht gefällt, werde ich es fertigbringen, im nächsten Jahr in die Staaten zurückzukehren. Vorläufig hoffe ich, ich kann einstweilen dableiben.« Sie nahm die Feder auf, mit der Garnet geschrieben hatte, und streichelte damit ihre Wange. »Ich möchte nicht in die Staaten zurück, Garnet«, sagte sie.
»Haben Sie immer noch Angst dieses Reese wegen?«
»Gott, nicht unbedingt. Schließlich kann diese Hexenjagd ja nicht ewig dauern. Aber – als ich die Staaten verließ, gedachte ich über kurz oder lang zurückzukehren. Ich konnte mir ja schließlich auch nicht vorstellen, daß es eine Möglichkeit für mich gäbe, nach Kalifornien zu kommen. Aber je mehr ich an die Rückkehr dachte, je weniger gefiel mit der Gedanke daran.«
Sie sprach leise, als holte sie die Worte einzeln aus der Tiefe herauf. Garnet unterbrach sie nicht.
»Erinnern Sie sich«, sagte Florinda, »irgendwann in New Orleans sagte ich Ihnen, es gäbe etwas in meinem Leben, woran ich nicht gern zurückdächte. Es war mir lieb, eine möglichst weite Strecke zwischen den Ort dieser Erinnerung und meine eigene Person zu bringen. Da war New Orleans besser als New York. Aber es war nicht weit genug. Es war immer noch Amerika. Ich habe das Gefühl, da hinten irgendwo in Kalifornien wird alles anders sein. Es wird nichts geben, wodurch ich an jene Dinge erinnert werde. Ich kann dort von neuem anfangen.« Sie lächelte schwach: »Verstehen Sie das, Darling?«
»Doch«, sagte Garnet, »ich glaube.«
Sie erinnerte sich daran, was Oliver ihr erzählt hatte: Die meisten Yankees in Kalifornien hätten die Staaten verlassen, weil es dort irgend etwas gab, woran sie nicht mehr denken wollten. Sie mußte an John denken, der nie auch nur ein andeutendes Wort über seine Vergangenheit fallen ließ. Selbst Oliver, der ihn seit fünf Jahren kannte, wußte nicht, warum John Ives Virginia verlassen hatte. Sie dachte auch an Texas, von dem nicht einmal seine engsten Freunde wußten, wie er eigentlich hieß, und der sich von Zeit zu Zeit still in die Ecke setzte, um sich zu betrinken. Nun also wollte Florinda sich dieser sonderbaren Gesellschaft anschließen, ihre entsetzlichen Brandnarben unter immer neuen Handschuhen und gleichzeitig die Wunde, die tief in ihr brennen mußte, unter einem frivolen Gelächter verbergend.
Beide Frauen schwiegen eine Weile, ihren Gedanken nachhängend. Dann sagte Garnet:
»Haben Sie Mr. Bartlett inzwischen gesehen?«
»Nein, Darling, es blieb
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