Kalifornische Sinfonie
erkältete.
Der Comanchen-Bereich lag nun hinter ihnen; es hatte keinerlei Schwierigkeiten gegeben. Dann und wann hatten sie in weiter Entfernung streifende Indianer gesehen. Sie hatten ihnen Späher entgegengesandt und ihnen Halsketten aus Glasperlen, Seidenbänder und grellfarbene Stoffe als Geschenke überreichen lassen. Zuweilen hatten sie mit einzelnen Indianern auch um Wild oder Fisch gehandelt.
Sie verließen den Rio Dolores und wandten sich wieder nach Westen. Es folgten vierzig Meilen trockenes Land, kahle Berge ringsum und keine Andeutung von Wasser. Garnett ritt mit völlig ausgedörrter Kehle, bis zum Stumpfsinn ermüdet, neben Florinda dahin. Als der Gliederschmerz unerträglich wurde, stiegen sie beide vom Pferd und gingen zu Fuß. Florinda machte einen völlig erschöpften Eindruck. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, die der Staub, der sich dort ansammelte, noch schwärzer erscheinen ließ. »Das ist kein Land«, murmelte Florinda, während sie auf dem ansteigenden Pfad mühsam Schritt für Schritt setzten, »das ist die Hölle!« Ihre Stimme war heiser von dem Staub, der ihr die Kehle verstopfte.
»Es ist schrecklich«, sagte Garnet. Sie blieb stehen, um einen Schluck aus ihrer Flasche zu nehmen.
Florinda zog den Schleier hoch, der ihren Mund verdeckte, und nahm ebenfalls einen Schluck. Garnets Gesichtshaut war wie die eines Indianers gegerbt und gebräunt, aber Florinda begann jetzt schon den Preis für die Kalifornienreise mit dem Verlust ihrer Gesichtsfarbe zu bezahlen. Ihre perlmuttfarbene Haut bräunte sich nicht. Sie zog den Schleier wieder herab und sagte durch die Vermummung hindurch:
»Haben Sie eine Ahnung, was nach dieser Höllenwüste kommt, Garnet?«
»Oliver sagte, wir kämen zum Grand River.«
»Das wäre nicht auszudenken: Wasser!«
Aus Garnets Stimme klang warmes Mitgefühl: »Sie empfinden die Hitze noch viel schlimmer als ich, Florinda.«
Florinda zuckte die Achseln. »John Ives hat mich gewarnt«, sagte sie. »Aber machen Sie sich meinetwegen nur keine Sorgen. Ich halte durch.« Sie fielen in ihre alte Schweigsamkeit zurück. Die Hufe der Maulesel klapperten auf dem steinigen Felsenpfad. Die paar Schafe, die sie noch besaßen, blökten kläglich nach Wasser und Gras. Aber von Wasser und Gras war weit und breit keine Rede.
Es war erst gegen neun Uhr morgens, aber die Hitze war bereits schier unerträglich. Garnets Kehle war so rauh wie ein Reibeisen für Muskatnüsse. Sie tastete schon wieder nach der Wasserflasche. Oliver kam von hinten heran. Er ging auch zu Fuß und zog einen bepackten Maulesel hinter sich her. In der freien Hand hielt er ein paar glatte Kieselsteine.
»Steck einen Stein in den Mund«, sagte er, »lutsche daran wie an einem Bonbon. Er hält den Mund feucht, und du kannst besser schlucken.«
Garnet nahm die Kieselsteine; sie gab auch Florinda einen. Das Mittel erwies sich als wirksam. Oliver tat alles, was in seiner Macht stand, ihr die Zeit der Trockenheit erträglicher zu machen. Es war nicht seine Schuld, daß jeweils rund vierzig Meilen zwischen den Flüssen lagen. Garnet dachte an die leuchtenden Blumenfelder Kaliforniens und an den Schnee auf den Berggipfeln. Es war gut, daß John ihr davon erzählt hatte, und es war besonders gut, wie er gesprochen hatte. Während sie müde und erschöpft zwischen den backofenheißen Felsen mehr kroch als ging, hatte sie fortgesetzt die bunten, strahlenden Bilder vor Augen, die er vor ihrem inneren Auge entrollt hatte.
Sie kamen schließlich an den Grand River. Das Wasser sprang mit einem hellen Geräusch über das heiße Gestein; es klang wie Musik. An den Ufern des Flusses wuchs frisches Gras für die Tiere, und sie legten einen ganzen Tag Rastpause ein, um die Gelegenheit zu nützen. Sie wuschen sich alle von Kopf bis Fuß, reinigten Wäsche und Kleider und ruhten sich aus. Die Boys bereiteten köstliche Mahlzeiten. Die letzten Schafe, die sie von Santa Fé aus mitgetrieben hatten, wurden geschlachtet; es hatte keinen Sinn, sie noch weiter mitzuführen, da sie die noch vor ihnen liegenden Felsen nicht zu erklettern vermochten. Der Treck mußte sich fortan von Salzfleisch ernähren. Vielleicht kam dann und wann ein Stück Bergwild dazu.
Oliver erklärte Garnet, daß sie nunmehr in das Gebiet der Utah-Indianer kämen. Die Utahs, sagte er, seien nicht so grausam wie die Comanchen und nicht so stumpfsinnig wie die Digger, mit denen sie weiter westlich in Berührung kommen würden. Die Utahs seien im
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