Kalifornische Sinfonie
wandte sich ab. Die anwesenden Händler sammelten sich um John, aber John schien nicht viel Lust zu einer ausgedehnten Unterhaltung zu haben; er gab nur kurze und knappe Antworten. Er komme eben von der Hale-Ranch herunter, sagte er. Er sei hart geritten und habe nur wenig geschlafen unterwegs. »Ich suche Texas«, setzte er abschließend hinzu.
»Er ist in der Stadt«, entgegnete Teufelswanze, »aber Florinda sagte vorhin, er sei seit einer Woche ununterbrochen betrunken.«
»Verdammter Idiot!« knurrte John. »Ich dachte, er würde sich langsam auf den Treck vorbereiten.«
»Warum? Vorläufig ist bei dem Regen ohnehin nicht an Aufbruch zu denken. Nächste Woche wird er wohl den Anfang machen mit dem Nüchternwerden.«
»Nächste Woche!« höhnte John wütend, »nächste Woche!«
»Was willst du denn von Texas?« fragte Tick-Tack. »Ist jemand krank?«
»Mrs. Hale. Sie ist sogar ziemlich schwer krank. Lebensgefährlich. Erinnert ihr euch an sie?«
»Klar«, sagte Teufelswanze. »Nettes Mädchen! Tut mir verdammt leid.«
»John!«
Florinda war hinter dem Bartisch herangekommen und ergriff ihn beim Handgelenk; ihre Augen waren schreckgeweitet. »Was haben Sie da eben von Garnet gesagt?« flüsterte sie.
»Sie wird sterben, wenn sie nicht bald Hilfe bekommt«, sagte John.
Florindas Lippen kniffen sich fest zusammen. »Warten Sie!« stieß sie heraus. Sich umwendend, ergriff sie Micky am Arm. »Übernimm den Betrieb, Micky«, sagte sie. »Ich muß mit dem Herrn sprechen. Bin bald wieder da.«
Micky versicherte, es sei ihm eine Ehre, der weißen Blume gefällig zu sein. Einer der anderen Gäste trommelte mit dem Becher auf der Theke, aber Florinda störte sich nicht daran. Sie öffnete die Klappentür, kam in den Gästeraum heraus, ergriff John Ives am Ellbogen und schob ihn zu der Tür in der Seitenwand. »Kommen Sie schnell, hier durch«, sagte sie.
Die Tür öffnete sich auf eine Art Vorraum. Florinda schloß sie hinter sich und zog John in die Küche. In dem gemauerten Herd war noch Feuer; ein Topf hing über der glühenden Asche. Vor der Wandbank stand ein großer Tisch, auf dem eine Anzahl gebrauchter Schüsseln und Töpfe des Abwaschs harrten.
»Setzen Sie sich«, sagte Florinda. John gehorchte schweigend. Er sackte vor Müdigkeit förmlich zusammen. Florinda ging zum Herd und füllte eine Schüssel mit Bohnen aus dem über dem Feuer hängenden Topf. Dazu brachte sie einen Teller mit Bratfleisch und ein paar kalte Tortillas. Sie stellte Schüsseln und Teller vor ihn hin und eine Flasche Whisky daneben. »Trinken Sie aber nicht mehr, bevor Sie gegessen haben«, sagte sie. »Sprechen Sie auch noch nicht; essen Sie erst. Sie kriegen in dem Zustand doch nichts Vernünftiges heraus.«
John sandte ihr ein müdes Lächeln zu und begann schweigend zu essen.
Florinda schürte das Feuer und legte Holz nach. Johns Kleider begannen zu dampfen. Florinda kam mit einem großen weißen Tuch, das ebensogut ein großes Handtuch wie ein kleines Tischtuch sein konnte, trocknete ihm das regennasse Haar und rieb die Schmutzkruste von seinen stoppeligen Wangen. Sie störte ihn mit keinem Wort beim Essen; aber als er schließlich die Schüssel mit einer Handbewegung zurückstieß, setzte sie sich neben ihn auf die Bank und goß ihm einen Becher voll Whisky. John lächelte, als sie ihm den Drink zuschob.
»Sie sind ein feiner Kerl, Florinda«, sagte er, »ich danke Ihnen.«
»Fühlen Sie sich jetzt besser?« fragte Florinda.
»Sehr viel besser.«
»Also dann erzählen Sie: Was ist mit Garnet?«
Johns Hand umklammerte den Steingutbecher. »Sie erwartet ein Kind«, sagte er, »und sie hat vor kurzem einen schweren Schock bekommen.«
»Was ist mit ihr? Sprechen Sie doch!«
»Sie erbricht fortgesetzt. Ich habe nie so etwas gesehen. Es ist schrecklich. Bei der fürchterlichen Anstrengung ist ihr eine Blutader geplatzt, seitdem hustet sie Blut. Als ich sie verließ, war sie so schwach, daß ich die schlimmsten Befürchtungen hatte.«
Florinda hatte über seinen Worten vor Schreck aufgeschrien. »Erzählen Sie«, flüsterte sie jetzt, »was ist denn geschehen? Fangen Sie von vorn an.«
John nahm einen gierigen Schluck Whisky und begann Garnets Geschichte zu erzählen. Er sprach von dem Brief, den er Oliver in Santa Fé überreicht hatte und von dem Kind der Carmelita Velasco. Florinda hörte ihm nach einigen entsetzten Aufschreien schweigend zu.
»Als ich sie ins Haus trug, war sie ohnmächtig«, schloß John seinen
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