Kalifornische Sinfonie
daß du – aus einem ganz bestimmten Grunde – ja sagen würdest.« Er lächelte dünn. »War der Gedanke so dumm?«
»Ich weiß nicht«, sagte Garnet. »Ich weiß überhaupt nicht, wovon du sprichst.«
»Dann werde ich es dir sagen.« Seine grünen Augen bohrten sich in die ihren, er sprach mit lächelnder Offenherzigkeit: »Ich verlangte nach dir – mehr, als ich je nach einer Frau verlangt habe. Ich konnte nicht wissen, ob du ebenso nach mir verlangen würdest. Aber ich fürchtete, du würdest auch dann ja sagen, wenn das nicht der Fall war.«
Er stand unvermittelt auf und ging ein paar Schritte von ihr weg. Stehenbleibend, wandte er sich um und sagte:
»Also. Nun weißt du es. Nun sage mir, daß ich ein Narr bin, und je lauter und nachdrücklicher du es sagst, um so glücklicher werde ich sein. Hast du verstanden?«
»Nein«, sagte Garnet. »Ich wüßte nicht, warum ich sonst –. Du bist doch wohl nicht so reich wie etwa Mr. Kerridge hier. Ich weiß es wenigstens nicht. Warum also hätte ich ja sagen sollen, wenn ich nichts für dich fühlte?«
John sagte, kurz und abrupt mit einem heimlichen Grollen in der Stimme: »Aus Dankbarkeit, verdammt noch mal!«
Einen Augenblick starrte sie ihn an, mit weit aufgerissenen Augen und halboffenem Mund, dann begann sie lauthals zu lachen. »Ach du Narr!« rief sie, »ach du unglaublich komischer Schafsnarr! John Ives, denk einen Augenblick nach: Glaubst du wirklich, ich könnte dich oder irgendeinen anderen Mann aus Dankbarkeit nehmen?«
»Aber«, sagte er, »warum faseltest du so viel von deiner verdammten Dankbarkeit? Warum, in Gottes Namen tatest du immer wieder so, als glaubtest du mir etwas schuldig zu sein? Ganz so, als rechnetest du damit, ich könne jeden Tag kommen und eine Schuld einkassieren?«
»John«, sagte sie, »ich schwöre dir, ich habe nicht eine einzige Sekunde an etwas Derartiges gedacht.«
»Gut«, versetzte John. »Ausgezeichnet. Aber ich dachte daran. Und ich hasse es, irgendeinem Menschen das Gefühl zu geben, er schulde mir etwas. Und am allerwenigsten dir.« Er zupfte ein paar Blätter vom Baum. »Deshalb ging ich weg«, sagte er, »und deshalb blieb ich so lange. Du solltest Zeit genug haben, um zu erkennen, daß ich nie etwas von dir fordern würde. Dann, als ich gestern hier ankam –; er lächelte sie freimütig an; »ich glaube, du hast dich gefreut, mich wiederzusehen.«
»Ich war in meinem ganzen Leben nie so froh, jemand wiederzusehen«, sagte Garnet. »Ich habe ununterbrochen nach dir verlangt, seit du mir das letzte Lebewohl zuwinktest. Sah man mir das denn nicht an?«
»Doch«, sagte John, »ich habe es gesehen. Du strahltest über das ganze Gesicht, als du mich erblicktest. Und du hättest nicht so aussehen können, wenn dir nicht so ums Herz gewesen wäre.« Es zuckte um seine Lippen wie in leichtem Spott. »Ja, wenn es Florinda gewesen wäre«, sagte er, »Florinda ist sehr geschickt in solchen Dingen. Aber du nicht. Nein, als ich dich gestern sah, wußte ich, daß du mich mochtest.« Garnet lehnte sich gegen den Baumstamm und sah zu ihm auf. Sie lachte vor Glück. John hielt mit einer Hand einen Ast umklammert, die andere Hand steckte in seinem Gürtel. Er trug einen handgearbeiteten Ledergürtel mit silberner Schnalle. »Ich kann keine schönen Reden machen, Garnet«, sagte er. »Ich weiß nicht, wie man das macht. Aber ich sagte dir gestern schon: Du bist die einzige Frau, der ich ein verdammtes Recht auf mich einräume. Ich möchte dich heiraten. Hast du mich gern genug, um dazu ja zu sagen?«
Ein Sonnenstrahl tänzelte auf seiner Gürtelschnalle. Die Nebel stiegen. Die Sonne warf lange, funkelnde Strahlen über die Berge, und der Tau glitzerte auf Blättern und Gräsern. Garnet stand auf und trat vor ihn hin. Sie sah in sein mageres braunes Gesicht und in die erstaunlich hellen Augen unter den dunklen Wimpern und Brauen. Er lächelte, als sein Blick dem ihren begegnete, aber sie sah nichtsdestoweniger die bitteren Linien und Fältchen, die das Leben um Augen und Mundwinkel gezogen hatten, die gleichen Fältchen und Linien, die sie gesehen hatte, als sie ihm zum ersten Mal begegnete. Nun werde ich erfahren, welcher Schmerz diese Falten verschuldet hat, dachte sie. Den ganzen Rest meines Lebens werde ich damit verbringen, ihn zu lieben und ihm den Glauben zu geben, daß das Leben nicht nur aus Härten und Bitternissen besteht. »John«, sagte sie leise und warm, »John, ich liebe dich. Bitte, glaube mir: Du bist der
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