Kalifornische Sinfonie
geröteten Wangen. Die Yankees schätzten vor allem ihre Unterhaltung; und Florinda selbst zeigte sich von allen fünfen entzückt. Sie hatte auf diese Weise nicht viel Zeit, sich Garnets wegen Gedanken zu machen. Überdies war sie innerlich der Meinung, Garnet sei eine alberne Gans, die eine solche Episode viel zu ernst nähme. Sie sagte sich, daß es nicht den geringsten Sinn habe, sich eines einzelnen Mannes wegen zu ärgern, da es ja noch genug andere gäbe.
Garnet war an sich ganz froh, daß Florinda so beschäftigt war. Außer beim An-und Auskleiden waren sie in diesen Tagen nicht viel zusammen. Und bei diesen Gelegenheiten berichtete Florinda der Freundin, daß Mr. Perkins dies und Mr. Middleton jenes gesagt habe. Und Nick, das ›Hübsche Tier‹, habe ihr erzählt, daß die drei Kalifornier danach lechzten, sie mit offen herabfallendem Haar zu sehen, sie seien nur zu gut erzogen, darum zu bitten; ob sie den Männern den Gefallen nicht tun wolle. Das habe sie natürlich getan, und zwar habe sie dazu mit Bedacht eine zugige Hofecke gewählt, wo das im Winde flatternde Haar sie wie ein Heiligenschein umgeben habe. Sie waren völlig weg, die drei Kalifornier; sie habe zwar nicht alles verstehen können, was sie sagten, aber ganz ohne Frage seien sie hingerissen und bezaubert gewesen.
Garnet hörte in halber Verlegenheit und nicht ganz ohne heimliches Neidgefühl diesen Berichten zu. Ich wollte, ich könnte auch so sein, dachte sie. Wahrhaftig, ich wollte, ich könnte mich über ein paar fremde junge Männer aufregen, die ich gerade erst kennengelernt hätte und die ich sehr wahrscheinlich nach ihrem Weggang nie mehr wiedersehen würde. Warum bin ich so anders? Ist es, weil ich unter anderen Umständen geboren wurde als Florinda, oder weil ich anders erzogen wurde? Oder ist es nur, weil ich nicht so schön bin wie sie? – Sie trat vor den Spiegel und besah ihr Gesicht. Nein, es hatte nicht den klassisch schönen Schnitt, nicht die Zartheit und Lieblichkeit Florindas; aber ganz gewiß war auch sie nicht häßlich. Die Männer hatten sie immer sehr anziehend gefunden. Das hatte ihr gefallen, aber es wäre ihr, weiß Gott, nie in den Sinn gekommen, bewußt auf jeden beliebigen Tom oder Dick oder Harry faszinierend wirken zu wollen. Sie wandte sich um und sah Florinda an, die damit beschäftigt war, sich das Stirnhaar in kleine Löckchen zu drehen. Ich bin nicht dafür geschaffen, dachte Garnet. Es ist nicht meine Sache, Männern den Kopf zu verdrehen. Liebe – das ist für mich etwas anderes. Das ist viel, sehr, sehr viel mehr.
Sie waren beide eben vom Mittagsschlaf aufgestanden. Florinda war mit ihrer Frisur fertig und zog gerade ein frisches Kleid an. Es war das Kleid mit den Silberknöpfen, die ihr Mr. Bartlett in Santa Fé gegeben hatte. Als sie fertig war, ging sie hinaus, um nach ihren Bewunderern Ausschau zu halten. Garnet zog sich mit gewollter Langsamkeit an; sie sehnte sich nicht nach Gesellschaft. Sie war jetzt am liebsten allein.
Als sie aus dem Hause trat, kam ihr ein Mädchen entgegen, das ein Tablett mit Waffeln und einen Krug mit Cha trug. Garnet ließ sich eine Tasse Cha geben und ging, weit vom Haus weg, zu einer zwischen Bäumen und Büschen einsam stehenden Bank. Sie trank ihren Cha und versuchte Ordnung in ihre Gedanken zu bringen.
Wenn doch das Wasser der Bäche und Flüsse zurückginge, dachte sie, damit John abreiten könnte. Sie konnte seine spöttischen Augen, die sie jedesmal ungeniert suchten, seine harten Kinnladen und sein ganzes kühl beherrschtes Gesicht nicht mehr sehen; sie ertrug seinen harten, überlegenen Geist nicht mehr in ihrer Nähe. O Gott, warum hatte sie nur gewünscht, er solle sie lieben?! Es gab ja wirklich noch genug andere Männer.
Genug andere Männer, ja. Das war das, was Florinda gesagt hatte. Garnet sah einem Sonnenstrahl zu, der das Blattwerk durchdrang und helle Kringel in das Gras zeichnete. Es ist wahr, dachte sie, finde dich damit ab, Garnet. Schließlich kannst du John Ives nicht zwingen, dich zu lieben, nicht wahr? Und wenn du das schon nicht kannst, dann reiße ihn dir wenigstens auch aus dem Herzen. Du kannst eines Tages nach New York zurückkehren. Du kannst deinen kleinen Stephen an einem zivilisierten Ort aufziehen, und vielleicht, wenn das hier alles hinter dir liegt, kannst du auch noch die Liebe eines Mannes erringen und lernen, ihn wiederzulieben. Denn dafür bist du geboren und erzogen worden; es ist das, was du brauchst!
Sie fühlte sich
Weitere Kostenlose Bücher