Kalifornische Sinfonie
›Blumengarten‹. Die Künstlerin war allein. Sie trug ein auffälliges schottisches Seidenkleid und einen ärmellosen Mantel aus Eichhörnchenpelz, dazu einen dunkelblauen Modellhut mit Bändern und einer Feder.
Garnet fühlte, wie prickelnde Wellen ihr den Rücken hinabliefen. Die sagenhafte Person, die ihr im ›Blumengarten‹ soviel Vergnügen verschafft hatte, ging so dicht an ihrem Tisch vorüber, daß sie ihren Mantel hätte mit den Händen berühren können, wenn es ihr eingefallen wäre, eine so unmögliche Handlung zu begehen. Es war kein Zweifel: die Sängerin gedachte sich hier niederzulassen, um ein Nachtessen zu sich zu nehmen. Der Negerkellner kam heran, um den neuen Gast zu begrüßen. Er machte eine Verbeugung, als sei die Künstlerin eine Königin, die er tagtäglich zu bedienen habe. Garnet fand, Oliver könne ruhig noch etwas auf sich warten lassen; sie empfand diese neuerliche intime Begegnung mit der gefeierten Schönen als schrecklich aufregend.
»Guten Abend, Cicero«, sagte die Silberblonde und strahlte den Neger an. Die beiden schienen gut Freund miteinander. »Was hast du für mich zu essen?« Sie sprach sehr deutlich und akzentuiert mit einer ausgebildeten Bühnenstimme, klar wie Musik. Der Kellner rieb sich die Hände. »Was mächtig Feines, Madam«, grinste er; »es heißen: Etuvé de viandes; sein sehr, sehr gut! Hühnerfleisch und Schinken und Rindfleisch und eine Menge Gemüse und Lorbeerblätter und viel Gewürz; sehr, sehr gut, mächtig fein, Madam!«
»Das scheint so. Mein Gott, habe ich einen Hunger! Also schnell, bring mir dein Zusammengekochtes, eine große Portion, und etwas Reis mit Bratensoße und Rahm und ein großes Glas Milch. Auch etwas Gebäck mit Stachelbeermarmelade, wenn’s geht.«
»Gut, Madam, sehr gut, soll alles kommen. Wie ist’s; will Madam vielleicht ein paar Austern vorher, bis Küche das Souper bereitet?«
Die Blonde ließ einen anerkennenden Pfiff hören, der weniger für ihre Kinderstube als für ihren ausgebildeten Gaumen zeugte; sie küßte begeistert ihre Fingerspitzen. »Ausgezeichnet!« sagte sie, »Austern! Austern sind großartig. Mit Meerrettich, bitte. Du bist ein Wunder, Cicero; ich begreife gar nicht, wie ich so lange ohne dich leben konnte.« Sie sah den Neger an, und ihre Stimme schlug plötzlich um. »Wie geht es Larry heute?« fragte sie ernst, ihn groß ansehend.
Cicero schüttelte trübe den Kopf. »Noch sehr schlimm, immer noch sehr, sehr schlimm, Madam«, sagte er; »scheint sich ein bißchen zu bessern, ist aber immer noch schlimm. Wird noch sehr, sehr lange dauern mit ihm, bis er gesund ist.«
»Ja, ich fürchte, das wird es wohl«, sagte die Blonde. »Hier, nimm, Cicero.« Sie nahm einen Schein aus ihrer Börse und drückte ihn dem Kellner in die Hand. »Kauf ihm, was er braucht; kauf ihm auch ein nettes Spielzeug«, sagte sie. »Er wird Freude haben, und wer Freude hat, wird schneller gesund.«
»Oh, danke, Madam, sehr, sehr vielen Dank. Sie sind sehr, sehr gut zu uns.« Der Kellner machte einen tiefen Bückling und fletschte die Zähne.
»Sei still, Cicero. Rede nicht so viel«, wehrte die Sängerin ab. »Geh und brich meine Austern auf; ich sterbe sonst vor deinen Augen vor Hunger.«
»O Madam, sogleich, Madam«, rief der Neger, »bitte, nehmen Sie Platz hier an das Seitentischchen.« Er zog ihr einen Stuhl heran, machte abermals einen tiefen Bückling und verschwand, um die Austern aufzubrechen.
Die Künstlerin begann, es sich bequem zu machen. Sie warf den Schal zurück, nahm den Hut ab und löste einige Nadeln in ihrem Haar. Sie trug lange dunkelblaue Handschuhe aus Ziegenleder, die genau zu ihrem Hut paßten.
Garnet dachte: Mein Gott, ich darf sie nicht so anstarren. Sie zwang sich, den Blick wegzunehmen und tat so, als vertiefe sie sich in ihr Buch. Sie blätterte darin herum, betrachtete die einzelnen Stiche und las die phantastischen Namen darunter: Esmeralda, Melisande, Mignonette, Florinda. Plötzlich wurde die unmittelbar zur Straße führende Tür von draußen aufgerissen. Die Tür befand sich genau gegenüber ihrem Platz. Zwei Männer kamen herein; der zweite knallte die Tür hinter sich zu. Der erste grölte mit heiserer Stimme: »He, Bedienung!«
Garnet starrte die beiden Männer erschrocken an. Beide waren gut gekleidet, schwankten aber ziemlich auf den Beinen. »Verdammt noch mal, Bedienung!« brüllte der erste abermals, »kann man denn hier, zum Teufel! keinen Drink mehr bekommen?«
Cicero befand
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