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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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hätte, ihn ohne einen Dollar auf die Straße zu setzen, wenn er noch einmal mit mir zusammenträfe. Er hatte schreckliche Angst vor seiner Mutter. Sie habe auch bereits eine Frau für ihn ausgewählt, erzählte er mir, ein nettes Mädchen aus sehr gutem Hause, das er wahrscheinlich werde heiraten müssen. Das Mädchen sei wirklich reizend, und vielleicht werde er trotz allem glücklich mit ihr werden. Oh, Nick, ich saß da und hörte ihm zu, er sprach mit einer ganz weinerlichen Stimme, und, ob du es glaubst oder nicht, er tat mir schrecklich leid. Der Himmel weiß, ich habe ihn niemals wirklich geliebt, er war für mich nicht mehr als ein netter Junge, der Geld hatte, und wenn er nicht der Vater Arabellas gewesen wäre, hätte ich ihn wahrscheinlich längst vergessen gehabt. Aber nun fühlte ich solches Mitleid mit seiner Zerknirschung, daß es fast wie Liebe aussah.« Florinda schüttelte den Kopf, als könne sie sich nicht genug über die seltsamen Wege wundern, die Menschen auf dieser Welt zu wandeln gezwungen waren. Sie nahm ihre Hände hoch und betrachtete sie. Das hatte sie noch nie in Nikolais Gegenwart getan. Nach einem Weilchen sagte sie leise:
    »Du hast mich einmal gefragt, warum ich keinen Alkohol trinke; erinnerst du dich?«
    »Gewiß«, antwortete er, »ich habe mich oft nach den Gründen gefragt.«
    Sie nickte. »Du weißt, es ist ein langer Weg von New York bis New Orleans. Damals auf dem Schiff hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Ich fragte mich, wie das alles nur hatte geschehen können. Warum war es mir nicht möglich gewesen, einen Kerl wie Mallory rechtzeitig zu durchschauen. Ich bin schließlich dahintergekommen. Ich hatte Mallory auf einer Party kennengelernt. Er spendierte mir gleich beim ersten Mal und auch später immer, wenn wir zusammen waren, die teuersten Getränke. Ich brauchte aber nur ein paar Gläser Champagner zu trinken, dann veränderte sich vor mir die Welt. Alles begann zu fluten und zu schweben; Menschen und Dinge veränderten sich, ich sah sie nicht mehr, wie sie waren, sondern wie ich sie sehen wollte, und ich hatte keinerlei Selbstkontrolle mehr. Der geringste Alkoholgenuß genügte, um in meinem Kopf eine heillose Verwirrung anzurichten. Ich hatte wohl gehört, daß es so etwas gab, aber ich hatte keine Ahnung, daß ich selbst zu den Menschen gehörte, auf die Alkohol eine solche Wirkung ausübt. Auf der Reise nach New Orleans wurde mir das plötzlich bewußt. Die Erkenntnis war schrecklich für mich, ich machte mir fortgesetzt Vorwürfe. Ich sagte mir, daß ich diesen Mallory nie geheiratet haben würde und daß mein Kind nicht hätte auf so grauenhafte Weise umkommen müssen, wenn der Alkohol nicht in den entscheidendsten Augenblicken meine Sinne umnebelt hätte. Ich war so verzweifelt und haßte mich selbst so sehr, daß ich oft nahe daran war, über Bord zu springen. Und dann beschloß ich, von Stund an keinen Tropfen Alkohol mehr zu mir zu nehmen. Es war gar nicht leicht, diesen Entschluß durchzuhalten. Deshalb hat mir Texas immer so leid getan. Ich weiß, wie Menschen dieser Art zumute ist. Sie können nicht dagegen an, und kein Mensch kann ihnen helfen.« Sie zuckte die Achseln. »Ja«, sagte sie, »ich glaube, das ist alles.« Zwischen ihnen war nun ein langes Schweigen. Florinda saß gegen die Wand zurückgelehnt auf der Bank und hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Sie schenkte Nikolai ein kleines, fast schüchternes Lächeln; er sah die Müdigkeit in ihrem Gesicht.
    »Nun bist du müde«, sagte er leise.
    »Ja, Nick, ich bin sterbensmüde. Aber ich fühle mich sehr viel wohler. Ich danke dir, Nick.«
    Nikolai stand auf. »Geh jetzt zu Bett«, sagte er, »ich lege mich hier in der Küche hin.«
    »Das ist lieb von dir, Nick.«
    »Aber – du könntest mir ein paar Decken geben.«
    »Ja, gewiß. Komm mit!«
    Sie gingen zusammen hinauf. Nikolai blieb am Treppenabsatz stehen und wartete, bis sie ihm die Decken brachte. Er ging in die Küche zurück und sah dann noch einmal vor die Tür. Der dunkle Himmel zeigte am Horizont bereits einen silbernen Streifen; der Morgen war nicht mehr fern. Die Stadt war völlig ruhig. Nikolai ging ins Haus zurück, verriegelte die Tür und schlich auf Zehenspitzen noch einmal die Treppe hinauf. Er klopfte an Florindas Tür, erhielt aber keine Antwort. Er öffnete leise die Tür und sah in dem schwachen Licht, daß sie bereits schlief. Er trat leise an ihr Bett und sah sie an. Ihr Gesicht war von den blonden Wogen ihres

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