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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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In dem seichten Gerinnsel bekommen ja nicht mal die Ochsen genug.«
    Während die Männer so mit Garnet sprachen, verschlangen sie sie fast mit den Blicken; augenscheinlich hielten sie sie für das schönste Geschöpf dieser Erde. Garnet hätte sich, bevor sie New York verließ, keine Situation denken können, in der Männer sich erlaubt hätten, ihr in so freimütiger Offenheit ihr Geschlecht zum Bewußtsein zu bringen. In der ersten Zeit hatte sie sich bei Blicken dieser Art verletzt und gedemütigt gefühlt; jetzt wußte sie längst, daß sie sich damit abzufinden hatte; sie tat, als sähe sie die Blicke gar nicht. Sie wußte, daß keiner der Männer sie je belästigen würde. Die einen, weil sie von Natur aus anständige Kerle waren, die anderen, weil sie nicht daran zweifeln konnten, daß Oliver sie kurzerhand über den Haufen schießen würde, wenn sie es wagten, seiner Frau zu nahe zu treten. Garnet war sehr unschuldig und unbefangen auf die große Reise gegangen; aber es hatte nicht lange gedauert, bis ihr klar wurde, daß sie in dieser Männergesellschaft sehr leicht zu einem störenden Element werden konnte.
    Garnet war die einzige amerikanische Frau im ganzen Santa-Fé-Zug. Außer ihr gab es da noch vier Mexikanerinnen, Frauen von Ochsentreibern, die Jahr für Jahr ihre Männer begleiteten. Mit ihnen kam Garnet kaum in Berührung. Kam sie an ihren Feuerstellen vorbei, setzten die Frauen ein höfliches Lächeln auf und sagten: »Buenos dias, Señora.« Darüber hinaus machten sie keinen Versuch einer Annäherung, denn ihre Männer waren Ochsentreiber und Garnets Mann war Händler. Die Klassenabgrenzung wurde auf dem Treck streng eingehalten.
    Garnet gab sich redliche Mühe, allen Männern mit gleicher unpersönlicher Höflichkeit und Liebenswürdigkeit zu begegnen. Die Männer ihrerseits benahmen sich dagegen sehr unterschiedlich. Manche mieden sie ganz, andere ließen keine Gelegenheit aus, sie zu sehen und mit ihr zu sprechen; wieder andere behandelten sie mit übertriebener Höflichkeit. Nur wenige hatten, wie Mr. Reynolds, genügend innere Zucht und Selbstbeherrschung, um ihr mit immer gleicher unbefangener Freundlichkeit zu begegnen.
    Bewußt geworden war ihr die innere Spannung schon in der ersten Nacht, als sie im Freien lagerten. Die anderen Händler hatten einen beträchtlichen Raum zwischen ihren Kutschen und Olivers Wagen gelassen. Die Ochsentreiber, die sich nur in ihre Decken einrollten und auf der Erde schliefen, hielten sich gleichfalls in weiter Entfernung. Nicht etwa, weil sie so etwas wie Zartgefühl hatten. Sie wollten einfach nicht an Dinge erinnert werden, die ihnen bis Santa Fé versagt waren. Oliver hatte Garnet gegenüber nie ein Wort über diese Dinge verloren. Sie fragte sich, ob er wohl dächte, das Verhalten der Männer sei ihr entgangen.
    Ach, Oliver, so sehr er sie liebte und so sehr er sich um sie sorgte, ahnte nicht im entferntesten, was Garnet auf dieser Reise alles lernte. In den sechs Wochen, die sie jetzt beim Treck war, hatte sie mehr gelernt als in ihrer ganzen Schulzeit. Nicht nur ihr Körper war hart und sehnig geworden, auch ihr Geist hatte sich gehärtet, war wacher und wendiger geworden. Sie wußte nicht, ob sie ausdrücken konnte, was ihr innerlich in diesen Wochen widerfahren war; aber selbst wenn sie es gekonnt hätte, da war ja weit und breit keine andere Frau, mit der sie darüber hätte sprechen können. Und ein Mann konnte dergleichen wohl kaum verstehen und nachempfinden.
    Garnet hätte sich sehr gewünscht, noch eine amerikanische Frau beim Treck zu haben. Die ständige Aussprache mit einer Freundin hätte ihr manches erleichtert; sie wäre mit all den neuen Kenntnissen und Erkenntnissen, die auf sie einstürmten, sehr viel leichter fertiggeworden. Da waren tausend Dinge, die man nur mit einer Frau besprechen konnte. Beispielsweise die Schwierigkeit, langes, ständig dem Staub ausgesetztes Haar richtig zu waschen, wenn man mit jedem Tropfen Wasser haushalten muß. Oder Kleidersorgen, wie sie auf solch einer Reise auftraten, wo nichts auf Schönheit und Eleganz, aber alles auf Zweckmäßigkeit ankam. Lauter Dinge, über die man mit Männern nicht reden konnte, weil sie sie nicht verstanden. Verstanden Frauen sich in nichtigen weiblichen Dingen, dann verstanden sie sich auch in allen anderen. Garnet dachte sich, daß es bei Männern doch eigentlich ähnlich sein müsse. Wahrscheinlich hatten auch sie heimliche Gemeinsamkeiten, die sie mit keiner Frau, auch

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