Kalifornische Sinfonie
gefühlt und sich so nach einem weiblichen Gefährten gesehnt; nun war dieser Wunsch erfüllt. Florinda war eine großartige Gesellschafterin. Sie sprachen miteinander von Kleidern und tauschten die Erfahrungen aus, die sie auf dem Treck gemacht hatten. Sie erzählten sich, was ihnen in Santa Fé aufgefallen war, und zuweilen sprachen sie auch von New York. Ihre beiden Welten schienen durch eine undurchdringliche Mauer getrennt. Aber sie waren auf denselben Straßen gegangen, hatten in denselben Geschäften gekauft und hatten nichts voneinander gewußt. Wären sie sich in New York auf der Straße begegnet und hätten sie sich zufällig mit den Ellbogen berührt, sie hätten wahrscheinlich eine Entschuldigung gemurmelt und dabei nicht einmal unter den Hutrand der anderen geschaut. Dennoch waren nun gemeinsame Erinnerungen da; sie hatten sich viel zu erzählen.
Die Straßen in Santa Fé waren schmutzig, aber malerisch. Sie waren immer voller Menschen. Händler und Ochsentreiber streiften herum, in Decken gehüllte Indianer lauerten an den Ecken, kleine Mädchen verkauften Gemüse aus Körben, große Mädchen trugen Krüge mit Wasser und warfen den Yankees verführerische Blicke zu; Männer führten kleine, mit Holz bepackte Burros durch die Straßen. Caballeros in bestickten Jacken und Beinkleidern flanierten in die Spielhäuser, wo sie mit anderen Caballeros und aufreizend geschmückten Damen zusammentrafen. In Santa Fé bildeten die Spielhäuser die Mittelpunkte des gesellschaftlichen Lebens.
Eines Abends ging Garnet mit Oliver in die Fonda. Es war noch früh, aber das Lokal war schon von Yankees und ihren mexikanischen Freundinnen gefüllt. Auch mehrere mexikanische Männer waren da, schlürften ihren Wein oder zupften stimmungsvoll an ihren Gitarren. Florinda saß mit Mr. Bartlett und einigen anderen Händlern an einem Tisch. Sie goß den Männern die Getränke ein und unterhielt sie, aber sie selbst trank wie gewöhnlich nichts. Als Garnet und Oliver an ihrem Tisch stehenblieben, um ein bißchen zu plaudern, sagte Florinda: »Was, um alles in der Welt, muß man tun, Mr. Hale, um in Mexiko einen Schluck Wasser zu bekommen?«
Oliver besorgte ihr eine Karaffe Wasser, was in der Tat einige Schwierigkeiten machte. Die Kellner in der Fonda waren es nicht gewöhnt, Wasser zu servieren. Oliver und Garnet fanden schließlich einen Platz, und Mr. Bartlett, der erst leicht angetrunken war, rückte mit seinem Stuhl zu ihnen.
Mr. Bartletts Hauptthema war Florinda. Sie sei eine großartige Frau, sagte er, wahrhaftig, sie sei die feinste Frau, die er im Leben kennengelernt habe. Sie sollten nicht böse von ihr denken, weil sie hier mit ihm zusammen sei. Es handele sich um eine junge Witwe, die einer ausgezeichneten New Yorker Familie entstamme und nur eben ein kleines Abenteuer erleben wolle. Ihre Verwandten würden natürlich entsetzt sein, wenn sie davon erführen. Garnet und Oliver hörten Bartletts Erzählung mit ernsten und unbewegten Gesichtern zu, und Oliver versicherte, Florinda sei in der Tat eine großartige Frau und jedermann könne an ihrem Benehmen ohne weiteres ablesen, daß sie aus sehr guter Familie komme.
»Sie hatte leider einen bösen Unfall«, fuhr Mr. Bartlett zu berichten fort. »Sie mußte ihrem schwerkranken Gatten kurz vor seinem Tode heiße Packungen machen; dabei verschüttete sie einmal ein Gefäß und verbrühte sich entsetzlich mit kochendem Wasser. Deshalb muß sie ständig Handschuhe tragen. Ich nehme an, Sie haben das schon bemerkt. Es ist schrecklich: die arme Frau! Selbstaufopferung! Ich versichere Ihnen: eine großartige Frau! Eine vornehme Frau!«
Als sie die Fonda verließen, sagte Oliver: »Unsere Freundin Florinda scheint über beträchtliche Erfahrung im Lügen zu verfügen.«
»Er wird sie wegen ihrer Hände befragt haben«, sagte Garnet, »sie mußte ihm ja irgend etwas sagen. Was immer die wirkliche Ursache ihrer schrecklichen Brandwunden sein mag, sie kann eben nicht darüber sprechen.«
»Jedenfalls versteht sie ihr Geschäft«, lachte Oliver, »sie hat Bartlett an der Strippe und läßt ihn tanzen.«
Als Florinda am nächsten Tag mit ihrem Nähzeug erschien, sagte Garnet, ohne von den Knopflöchern, an denen sie gerade arbeitete, aufzusehen: »Mr. Bartlett denkt sehr hoch von Ihnen, nicht wahr?«
»Ja, Darling, ich glaube schon.« Florinda begann einen Rocksaum zu heften. Sie schnitt den Faden ab und legte die Nadel in den Behälter zurück.
»Würde er wohl sehr böse
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