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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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»perdone usted esta intrusión.«
    Er sprach mit verbindlicher, zurückhaltender Höflichkeit. Er stand mit dem Rücken gegen das Licht; Garnet sah, daß ihm das Haar zwischen den Augen etwas in die Stirn hineinwuchs. Er hatte ein langes Gesicht und weit ausgebuchtete Schläfen. Sein Mund war gerade, fast hart geschnitten; die schmalen Lippen zeigten nicht den Ansatz eines Lächelns; er erweckte den Eindruck, als habe er überhaupt selten gelächelt.
    »Buenos dias, Señor«, erwiderte Garnet den Gruß. Sie suchte verzweifelt nach spanischen Ausdrücken, um dem Mann zu erklären, daß Oliver nicht anwesend sei. Der Fremde sagte:
    »Tengo una carta para Don Olivero.«
    Garnet zögerte einen Augenblick und versuchte das Gehörte still zu übersetzen: Tengo – ich habe; una carta – einen Brief –; oh, sie wußte es: der Mann hatte einen Brief für Oliver. »Gracias, Señor«, sagte sie und tastete nach Worten, um ihr Zögern zu entschuldigen: »Perdoneme, Señor. No hablo español bien. Soy americana.«
    Der Mann zog, offensichtlich erstaunt, die Augenbrauen zusammen. »Sie sind Amerikanerin?« sagte er.
    »Ja natürlich«, rief Garnet, froh, daß der Mann englisch sprach. »Ich spreche leider nur sehr wenig Spanisch. Ich bin erst zwei Wochen hier.«
    »Verzeihen Sie bitte«, sagte der Mann, immer mit der gleichen gemessenen Höflichkeit. »Ich hielt Sie versehentlich für eine der Silvatöchter. Ich hatte auch noch nichts davon gehört, daß zur Zeit amerikanische Damen in Santa Fé sind.«
    Wer er nur sein mag? dachte Garnet. Florinda und sie hatten in Santa Fé so viel Aufsehen erregt, daß fast nicht anzunehmen war, daß einer der Einwohner nichts von ihrer Anwesenheit gehört haben sollte. Aber wahrscheinlich war der Fremde gar nicht aus Santa Fé; wahrscheinlich war er irgendein reicher Ranchero, der hier weilte, um Einkäufe zu tätigen. Er gab sich so unerschütterlich ernst, daß es fast peinlich wirkte, ganz im Gegensatz zu allen Mexikanern, die sie bisher kennengelernt hatte. Mexikaner schienen, ob reich oder arm, die heitersten und liebenswürdigsten Menschen auf Erden. Sie versuchte sich so herzlich und ungezwungen wie möglich zu zeigen.
    »Ich werde eine Nachricht, die Sie etwa bringen, gern an Mr. Hale weitergeben«, sagte sie.
    »Ich irrte mich also nicht in der Annahme, daß Mr. Hale auch in diesem Jahr wieder hier wohnt?« versetzte der Fremde.
    »Nein, natürlich nicht. Aber wollen Sie nicht einen Augenblick hereinkommen?«
    »Danke sehr.« Er kam die wenigen Stufen herauf; ein Sonnenstrahl fiel durch die Tür auf sein ernstes Gesicht.
    Garnet wies nach der Wandbank. »Bitte«, sagte sie, »nehmen Sie Platz. Mr. Hale ist nicht zu Hause, aber ich werde ihm alles ausrichten, was Sie ihm mitteilen wollen. Wie gut, daß Sie wenigstens Englisch sprechen!«
    Sie war einen Schritt zur Seite getreten, um ihn vorbeigehen zu lassen. Er wandte sich ihr zu. Die durch das Fenster hereindringende Sonne fiel gerade aufsein Gesicht. Er sagte:
    »Ich bin kein Mexikaner. Entschuldigen Sie, wenn ich mich selber vorstelle. Mein Name ist John Ives. Ich bin Oliver Hales Geschäftspartner.«
    »Oh!« rief Garnet und sah ihm lachend ins Gesicht. »Wie töricht ich bin! Natürlich sind Sie kein Mexikaner. Ich habe mich durch Ihre Kleidung täuschen lassen.«
    Sie kam sich ein bißchen beschämt vor: wie hatte sie den Mann nur für einen Mexikaner halten können! Solange er draußen unterhalb der Treppenstufen gestanden hatte, war ihr nicht bewußt geworden, wie groß er war. Er war ein gutes Stück größer als die Menschen, die sie hierzulande kennengelernt hatte; er hatte einen mageren und sehnigen Körper. Sie sah jetzt auch, daß sein Gesicht ebenso in eine helle und eine dunkle Hälfte aufgeteilt war wie die Gesichter aller Händler, die sich den Bart abgenommen hatten, und seine Züge waren ebensowenig mexikanisch wie ihre eigenen. Zu seinem dunklen Haar hatte er helle Augen von einem lichten Blaugrün, das an das Eis eines Sees im Winter erinnerte und auch ebenso kalt schien. Seine Gesichtszüge hatten in ihrer kantigen Härte einen beinahe steinernen Ausdruck. Sie wurde unwillkürlich an die Gesichter der ernsten Männer erinnert, die einst das junge Amerika geschaffen und regiert hatten und deren steinerne Abbilder in den Museen standen. Sie gab sich, während sie weitersprach, Mühe, ihre Gedanken nicht durch ihre Stimme zu verraten.
    »Ihren Namen kenne ich längst, Mr. Ives«, sagte sie. »Oliver hat mir oft

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