Kalix - Die Werwölfin von London
und die Tradition, einem Gast, der zum Clan gehörte, einen Drink anzubieten, war einfach zu tief in ihr verwurzelt. Gawain nahm den Whisky an.
»Ich will wissen, wo Kalix ist«, sagte er.
Thrix stellte die Flasche auf dem Schreibtisch ab und setzte sich.
»Vielleicht übersehe ich ja was, Gawain, aber wurdest du nicht verbannt? Ich versorge verbannte Werwölfe doch nicht mit Informationen.«
Gawain ließ sich von der Zauberin nicht einschüchtern und wollte auch nicht mit ihr streiten.
»Wo ist Kalix?«, fragte er wieder.
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Thrix.
Gawain musterte sie einen Moment lang, als würde er seine nächsten Worte sehr sorgsam wählen.
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»Thrix, ich habe dich schon einmal um Hilfe gebeten. Damals hast du mir gesagt, du wüsstest nicht, wo deine Schwester ist. Ich glaube, das stimmte nicht. Dieses Mal weiß ich, dass Kalix in London ist. Ich habe es aus verlässlicher Quelle der Familie.«
»Zweifellos von Marwanis.« Thrix' Antwort überraschte Gawain. »Sonst würde dir niemand in der Burg etwas verraten. Du hättest mit Marwanis zusammenbleiben sollen. Sie hätte eine bessere Freundin abgegeben als meine minderjährige Schwester.«
Gawain sah sie finster an, aber ignorierte ihre Stichelei.
»Wenn Kalix in London ist, weißt du auch, wo. Also sag es mir bitte.«
Gawains Stimme war ein Quäntchen lauter geworden. Thrix war klar, dass sie ihn nicht so leicht loswerden würde. Im ersten Moment war sie unsicher, was sie tun sollte. Sie hatte seine Beziehung zu Kalix zwar nicht gutgeheißen, aber auch nicht so empört reagiert wie der Rest der Familie. Weil die Beziehung Kalix glücklich zu machen schien, hatte Thrix sogar manchmal gedacht, man hätte sie vielleicht einfach weiterlaufen lassen sollen. Ihr kam der Gedanke, Gawain zu sagen, wo Kalix war. Damit würde sie ihn aus dem Büro kriegen.
Aber wäre das wirklich das Beste? Verasa würde das nicht gefallen, und sie würde Thrix ewig Vorhaltungen machen. Außerdem würde Gawain vielleicht Sarapen direkt zu Kalix führen.
»Sie war in London, ist es aber nicht mehr«, sagte Thrix abweisend. »Ich habe ihr ein neues Amulett gegeben, das sie versteckt, und sie hat die Stadt verlassen.
Ich glaube, sie wollte nach Frankreich.«
»Nach Frankreich? Warum?«
»Wer weiß? Nachdem du von der Bildfläche verschwunden warst, gab es hier nicht mehr viel für sie.«
»Ich lasse mich nicht mit Lügen abwimmeln. Ich werde Kalix finden.«
»Viel Glück«, sagte Thrix.
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»Wenn du mich anlügst, komme ich wieder.« »Willst du mir etwa drohen?«
»Allerdings«, sagte Gawain finster. »Nichts wird mich von Kalix fernhalten.«
»Wie schön, ein romantischer Held«, sagte Thrix. »Dann geh und such deine Heldin. Mach die Tür hinter dir zu.«
Gawain stand auf und verließ rasch das Zimmer. Die Zauberin blieb in Gedanken versunken zurück. In Gedanken versunken und verstimmt. Noch ein unverschämter Werwolf, der sie einfach in ihrem eigenen Reich bedrohte.
»Wenn ich kein Unternehmen zu leiten hätte, würde ich sie alle zur Hölle jagen«, murmelte sie. Sie langte nach dem Telefon, um die Herrin der Werwölfe über die Begegnung zu unterrichten, aber bevor sie es in die Hand nehmen konnte, meldete sich Ann über die Sprechanlage.
»Wer war denn dieser gutaussehende Fremde?«, fragte sie.
»Nur noch ein Werwolf, den ich nicht sehen wollte.«
»War er auf eine Verabredung aus?«
»Tut mir leid, Ann«, sagte Thrix. »Er ist schon verrückt nach jemandem.«
»Ihr Bruder ist auf Leitung eins.«
»Welcher? «
»Markus.«
Kopfschüttelnd nahm Thrix den Anruf an. Ihre Familie musste sich offenbar ständig in ihr Leben einmischen. »Markus? Was willst du? Ich habe zu tun.«
»Talixia ist tot.« »Was?«
»Sie ist tot. Sie wurde ermordet.«
»Von wem?«
»Ich weiß es nicht.«
»Ich komme sofort«, sagte die Zauberin.
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IOI
Als Thrix ankam, saß Markus im Flur und war vor Schock wie betäubt. Talixia lag tot auf dem Boden. Sie hatte eine Schnittwunde quer über den Rippen, und neben ihrer Leiche war etwas Blut eingetrocknet. Die Wunde war ernst, aber Thrix sah sofort, dass sie einen Werwolf normalerweise nicht getötet hätte. Sie kniete neben der Leiche nieder. »Sag mir, was passiert ist.«
Markus rang sich die Worte mühsam ab. Er war vor etwa einer Stunde in der Wohnung angekommen und hatte sofort die Leiche seiner Geliebten im Flur entdeckt. Er hatte einen schweren Schock und konnte kaum mehr sagen. Als Thrix ihn
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