Kalix - Die Werwölfin von London
Es war, als hätte ich die Orientierung verloren. Als Gawain Thrix verließ, konnte ich ihm plötzlich nicht mehr folgen. Ich weiß nicht, wie das passiert ist.«
Madrigal war das sichtlich peinlich. Er erledigte seine Arbeit normalerweise gut und war Misserfolge nicht gewohnt. Verlegen trat er von einem Bein aufs andere. Madrigal hatte oft genug für Sarapen gearbeitet, um zu wissen, dass er kein besonders ausgeglichener Werwolf war. Sarapen machte ein finsteres Gesicht, als er darüber nachdachte. Er war zwar unzufrieden, kannte seinen Agenten aber gut genug, um zu wissen, dass er nicht umsonst die Konzentration verlor. Er war außergewöhnlich zuverlässig und hatte einen guten Grund, Sarapen anständig zu dienen. Madrigal wollte ein Werwolf werden. Er war in der Nähe von Burg MacRinnalch aufgewachsen und hatte als Kind mit den jungen MacRinnalchs und MacAndrises gespielt. Die jungen Werwölfe achteten darauf, Menschen ihr Geheimnis nicht zu enthüllen, trotzdem hatte Madrigal es erfahren. Jetzt wollte er selbst ein Werwolf werden, was nicht unmöglich war, wenn ein Werwolf wie Sarapen sich bereit erklärte, ihm zu helfen.
»Hat dich vielleicht Zauberei verwirrt?«
»Zauberei? Ich habe nichts gespürt.«
»Vielleicht war die Zauberin an deiner Verwirrung schuld. Als Gawain das Gebäude verließ, hat sie ihn vielleicht mit einem Spruch belegt, damit ihm niemand folgen konnte.«
Sarapen gefiel es gar nicht, dass er sich mit Zauberei auseinan 280
dersetzen musste. Und nicht nur von Thrix. Er musste sich auch noch mit der Königin der Hiyastas abgeben.
»Such weiter nach Gawain«, befahl er. »Wenn du ihn findest, folge ihm. Er wird uns zu Kalix führen. Hast du den Douglas-MacPhees Bericht erstattet?«
»Ja.«
Am Tonfall erkannte Sarapen, dass Madrigal nicht viel für die Douglas-MacPhees übrighatte. Es überraschte ihn nicht. Wenigen Menschen wäre es anders gegangen.
130
Sarapen saß die ganze Nacht über allein auf dem oberen Balkon und nippte an seinem Whiskyglas. Manchmal verwandelte er sich nachts in einen Werwolf und streifte durch den Park. Er war ein armseliger Ersatz für Sarapens Ländereien in Schottland. Hier war die Luft nicht rein, und selbst in den klarsten Nächten standen nur wenige Sterne am Himmel. Seine Gedanken kehrten zu Dominil zurück. Was dachte sie sich nur dabei, den abscheulichen Zwillingen zu helfen? Es war schlimm genug, dass sie Markus unterstützte, da musste sie sich nicht auch noch mit Butix und Delix abgeben. Machte sie mit ihnen gemeinsame Sache, wollte sie die beiden dazu bewegen, für Markus zu stimmen? Sarapen hielt es für ausgeschlossen, dass die Zwillinge jemals zu einer Wahl in die Burg zurückkehrten, aber vielleicht dachte die Herrin der Werwölfe anders. Vielleicht war genau das der Plan von Verasa und Dominil. Plötzliche Abscheu für die Zwillinge ergriff Sarapen. Er sollte ihnen klarmachen, wie ungemein unklug es wäre, sich ihm in den Weg zu stellen.
Der große Werwolf erinnerte sich mit finsterem Blick an seine 281
Eifersucht, als Dominil sich andere Liebhaber genommen hatte. So konnte er nicht weitermachen, so unschlüssig und unsicher.
»Entweder sie verbündet sich mit mir, oder ich bringe sie um«, murmelte er.
Sarapen leerte sein Glas, dann ging er in den Keller. Dominil lag matt auf dem Bett in ihrer Zelle, aber als Sarapen kam, stand sie auf und funkelte ihn herausfordernd an.
»Lass mich frei«, verlangte sie.
Sarapen starrte wütend zurück.
»Wäre diese Tür nicht zwischen uns, würde ich dich umbringen, du Hund«, fauchte Dominil.
»Wer sonst würde es wagen, mich einen Hund zu nennen?«, dachte Sarapen.
Dominil hatte nicht damit gedroht, sich bei der Herrin der Werwölfe über ihre Entführung zu beschweren, wie man es hätte erwarten können. Sie hatte einfach gesagt, dass sie ihn umbringen wollte. Sie war eine prächtige Werwölfin.
»Verbünde dich mit mir«, sagte er unvermittelt.
»Was?«
»Verbünde dich mit mir. Dann werde ich Fürst sein, und du wirst die Herrin der Werwölfe.« Dominil war verblüfft.
»Sarapen«, sagte sie langsam. »Du bist ein Hund, der den Tod verdient. Als Mensch und als Werwolf bist du eine Bestie und als Liebhaber ein Versager. Ich würde mich lieber mit einem Knecht von einem Hof der MacRinnalchs einlassen, als eine Minute in deiner Gesellschaft zu verbringen.«
Sarapen brüllte vor Wut und riss die Zellentür auf. Bevor Dominil sich rühren konnte, schlug er ihr mit Wucht ins Gesicht, dass
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