Kalix - Die Werwölfin von London
machen, dabei hatte er nicht mehr getan als Moonglow.
Als Kalix aufwachte, half Moonglow ihr, das Blut von ihren Wunden zu waschen. Erstaunlicherweise protestierte die Werwölfin nicht.
»Vielleicht wäre ein Bad nicht schlecht«, schlug Moonglow vor. Sie wollte nicht aufdringlich klingen, aber sie hatte bemerkt, dass 38
Kalix wirklich schlimm roch. Es war lange her, dass sie sich richtig gewaschen hatte.
Kalix dachte, sie sollte lieber gehen. Sie war hier nicht sicher. Aber das war sie nirgends. Sehnsüchtig sah sie hinüber zum weißen, sauberen Bad, dann nickte sie. Als Moonglow das Wasser einließ, zog Kalix ihre Fetzen aus, und zum ersten Mal, seit Moonglow sie getroffen hatte, legte sich so etwas wie ein Lächeln auf ihr Gesicht. Moonglow ging hinaus, um in ihren Kartons nach Shampoo und Badeölen zu kramen. Unten brachte Daniel endlich ihre letzten Habseligkeiten herein. Er war knallrot im Gesicht. Als Englischstudent im ersten Jahr war er so viel Bewegung nicht gewohnt. An zwei Tagen in der Woche fingen seine Vorlesungen morgens um neun an, und da fand er schon, es würde ihm eine Menge Schlaf rauben.
»Sie badet«, sagte Moonglow. »Ich helfe ihr beim Haare waschen.«
»Soll ich auch helfen?«
»Du? Das wäre ja wohl kaum passend, bei einem nackten Mädchen in der Badewanne.«
»Sie ist eine Werwölfin«, sagte Daniel. »Vielleicht sieht sie solche Sachen anders.«
Moonglow sagte Daniel, er solle draußen bleiben.
»Du hast gesagt, sie wäre eine wilde Schönheit. Das heißt, du darfst sie nicht nackt sehen, weil es nicht mehr unschuldig wäre. Mach uns lieber Tee.«
Daniel tat, worum Moonglow gebeten hatte. Moonglow ging in der Zwischenzeit wieder ins Bad, wo Kalix zufrieden in der heißen Wanne lag. Als Daniel den Tee nach oben brachte, hatte Moonglow sich an die extrem schwierige Aufgabe gewagt, Kalix die Haare zu waschen.
»Ich glaube, wir haben hier einen Weltrekord für Nester«, sagte Moonglow.
»Wann hast du sie zum letzten Mal gewaschen?«
Kalix wusste es nicht mehr. Sie kniff die Augen zusammen und 38
beschwerte sich, als ihr etwas Shampoo über die Stirn lief. Moonglow hatte plötzlich den Eindruck, sie würde ein Kind baden.
»Wie alt bist du?«
»Siebzehn«, antwortete Kalix.
»Wie lange bist du schon eine Werwölfin?«
Kalix wirkte beleidigt.
»Wie meinst du das?«
»Wann wurdest du in eine Werwölfin verwandelt?« Kalix stieß ein leises Knurren aus, das Moonglow zurückschrecken ließ.
»Habe ich etwas Falsches gesagt?«
»Ich wurde nicht in eine Werwölfin verwandelt. Ich wurde als Werwölfin geboren, als viertes Kind des Fürsten, eine reinblütige Wölfin von der königlichen Familie des Clans MacRinnalch.«
»Tut mir leid«, sagte Moonglow. »Ich dachte, man muss gebissen werden.«
»So können Werwölfe auch geschaffen werden«, gab Kalix zu. »Aber es ist eine Beleidigung für einen reinblütigen Wolf, wenn man sagt, er wäre gebissen worden.«
Jetzt, da Kalix nackt war, waren ihre Rippen deutlich zu erkennen. Sie war unglaublich dünn. Moonglow hatte Angst, das Mädchen könne zerbrechen, wenn sie es zu fest anfasste. Sie ließ Wasser über Kalix' Haare laufen. Sie waren so dick und verknotet, dass Moonglow sie kaum mit den Fingern durchkämmen konnte.
»Ich glaube, ein paar dieser Nester müssen wir rausschneiden«, sagte sie.
Wieder knurrte Kalix, dieses Mal noch bedrohlicher.
»War das wieder eine Beleidigung?«, fragte Moonglow nervös.
»Meine Haare wurden noch nie geschnitten«, sagte Kalix ziemlich hochmütig.
»Und ganz sicher wird sich ihnen kein Mensch mit einer Schere nähern.«
»Entschuldige.«
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»Alles in Ordnung da drin?«, rief Daniel, der vor der Tür saß und Tee trank.
»Klar«, rief Moonglow zurück. »Mach doch mal Musik an.« Sie spülte das Shampoo aus Kalix' Haaren. »Soll ich noch eine Spülung machen? Dann lassen sie sich nachher leichter kämmen.« Wieder knurrte Kalix.
»Was ist denn jetzt wieder?«, jammerte Moonglow. »Du wirst mir nicht die Haare kämmen«, fuhr Kalix sie an. »Wollte ich ja gar nicht«, protestierte Moonglow. »Das kannst du selber machen.«
Langsam war sie beleidigt.
»Und kannst du mal aufhören, mich anzuknurren? Ich will doch nur helfen.«
Kalix wirkte überrascht, entschuldigte sich aber nicht.
»Außerdem weiß ich nicht, was so schlimm daran sein soll, sich die Haare kämmen zu lassen«, sagte Moonglow immer noch leicht verärgert. »Ist das wieder so eine Werwolfsache?«
»Nein«,
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