Kalle Blomquist
Spiele. Ja, ja.«
Sie erreichten glatt das andere Ende der Brücke. Auch diesmal wieder war keiner ins Wasser gefallen. Anders sah sich um, ob jemand ihr Tun beobachtet hatte. Die Kleine Straße aber war nach wie vor leer. Nur Gren, der Alte, ging dort ganz hinten. Seinen trottenden Gang konnte man nicht verkennen.
»Ich weiß niemand, der so seltsam geht wie Gren«, sagte Anders.
»Gren ist durch und durch seltsam«, meinte Kalle. »Aber vielleicht wird man seltsam, wenn man so allein ist.«
»Der Ärmste«, sagte Eva-Lotte. »Stellt euch vor, in solch einer alten Baracke wohnen zu müssen und keinen Menschen zu haben, der auffegt oder mal Essen kocht und so.«
»Tja, Fegen ist ja nicht unbedingt wichtig«, fand Anders nach kurzem überlegen. »Ein Weilchen allein sein, fände ich auch nicht schlecht. Da schafft man wenigstens etwas an seinen Basteleien.«
Für einen, der wie Anders mit einer Menge von kleinen Geschwistern auf knappem Wohnraum zusammenleben mußte, war es kein übler Gedanke, ein ganzes Haus für sich zu haben.
»Ach, du würdest dabei in einer Woche wunderlich werden«, sagte Kalle, »noch wunderlicher, als du jetzt schon bist, meine ich. Genauso wunderlich wie Gren.«
»Vater kann diesen Gren nicht leiden«, rief Eva-Lotte. »Er sagt, Gren ist ein Prozenter!« Weder Anders noch Kalle wußten, was ein Prozenter ist, aber Eva-Lotte erklärte es schon: »Vater sagt, ein Prozenter ist so einer, der Geld ausleiht – an Leute, die es nötig haben.«
»Ja, aber das ist doch nett von ihm«, staunte Anders.
»Nein, das ist es nicht«, sagte Eva-Lotte. »Das ist so – versteh doch … Nimm doch einmal an, du mußt dir fünfundzwanzig Öre leihen, du mußt die fünfundzwanzig Öre unbedingt für etwas haben …«
»Für ein Eis«, schlug Kalle vor.
»Du nimmst mir das Wort aus dem Mund. Ich fühle direkt schon, wie ich es unbedingt haben muß!« bestätigte Anders.
»Na ja, dann gehst du eben zu Gren«, sagte Eva-Lotte, »oder zu irgendeinem anderen Prozenter. Und der gibt dir dann die fünfundzwanzig Öre …«
»Macht er?« fragte Anders, völlig erschlagen von dieser Möglichkeit.
»Klar. Aber du mußt dich verpflichten, sie in einem Monat zurückzuzahlen«, sagte Eva-Lotte. »Und es reicht nicht, wenn du ihm fünfundzwanzig Öre zurückgibst. Du mußt ihm fünfzig Öre geben.«
»Auf keinen Fall!« empörte sich Anders. »Warum muß ich das?«
»Kindchen«, sagte Eva-Lotte. »Hast du denn noch nie in der Schule Prozentrechnen gehabt? Gren will Prozente für sein Geld haben. Versteh mich doch!«
»Aber er kann sich doch wohl etwas mäßigen«, meinte Kalle.
»Das tun die Prozenter aber nun einmal nicht«, sagte Eva-Lotte. »Die mäßigen sich nicht. Die nehmen immer zuviel Prozente. Und im Gesetzbuch steht, daß man das nicht darf. Wucher heißt es da, glaube ich. Ja, und deshalb kann Vater den Gren nicht leiden.«
»Ja, aber warum sind die Leute denn so vernagelt, daß sie Geld von Prozentern leihen?« wunderte sich Kalle. »Können die sich das Geld für ihr Eis nicht woanders borgen?«
»Dummchen«, sagte Eva-Lotte. »Vielleicht handelt es sich nicht nur um fünfundzwanzig Öre für ein Eis, sondern um Tausende von Kronen. Da gibt es vielleicht Menschen, die
müssen
durchaus fünftausend Kronen haben und gerade jetzt in dieser Sekunde, und kein Mensch ist da, der sie ihnen borgen will.
Keiner, nur so ein Prozenter, so ein Wucherer wie Gren.«
»Jetzt pfeifen wir auf Gren«, sagte Anders, der Chef der Weißen Rose. »Vorwärts zu Kampf und Sieg!«
Da lag des Postdirektors Haus und im Garten dahinter ein Schuppen, der als Garage diente. Als Garage und als Hauptquartier der Roten Rose. Denn des Postdirektors Sixtus war der Chef dieser streitsüchtigen Bande. Augenblicklich schien die Garage verlassen und leer. Schon von weitem konnte man sehen, daß da ein weißes Plakat an der Tür festgemacht war.
Der Chef der Weißen Rose gab seinen Truppen Anweisung:
»Kalle, du schleichst an der Hecke entlang, bis du hinter dem Hauptquartier außer Sicht für den Feind bist. Dann hinauf auf das Dach! Schaff sie herbei, die Bekanntmachung, tot oder lebendig!«
»Die Bekanntmachung – tot oder lebendig? Was meinst du damit?« fragte Kalle.
»Halt den Schnabel«, sagte Anders. »
Du
sollst tot oder lebendig sein, kannst du doch wohl begreifen, nicht? Eva-Lotte, du liegst hier still hinter der Hecke und spähst. Wenn du irgendeine Gefahr für Kalle merkst, pfeifst du unser Signal.«
»Und
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