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Kalle Blomquist

Kalle Blomquist

Titel: Kalle Blomquist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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Jontes Dachstubenfenster gerade richtig hoch genug.
    Und Jonte hatte keine Jalousien. Sie würden einen großartigen Beobachtungsplatz haben. Frohen Herzens gingen Kalle und Eva-Lotte nach Hause – zum Abendbrot.

FÜNFTES KAPITEL
    Der Abend war dunkel und still, als sie einige Stunden später über den Rackerberg schlichen. Die kleinen Holzbaracken drängten sich dicht aneinander. Etwas von der Hitze des Julita-ges hing noch zwischen den Häuserreihen.
    »Hier ist es still wie in einem Grab«, fand Kalle. Und er hatte recht. Nur ab und zu hörte man ein Gemurmel von Stimmen hinter einem der Fenster. In der Ferne bellte ein Hund auf, und danach war die Stille noch tiefer als zuvor.
    Bei Jonte aber ging es lebhaft zu. In seiner Bodenkammer war es hell, und gellende Knabenstimmen tönten aus dem offenen Fenster. Kalle und Eva-Lotte stellten mit Befriedigung fest, daß das Verhör in vollem Gange war. Sicher spielte sich dort oben ein spannendes Drama ab, und Kalle und Eva-Lotte waren fest entschlossen, diesem Drama vom besten Platz aus, dem Gren-schen Dach, beizuwohnen.
    Kalle lief noch einmal um das Haus, um die Möglichkeiten zu untersuchen. Ärgerlich – bei Gren war auch Licht. Warum konnten alte Menschen abends nicht schlafen gehen, sie, die den Schlaf doch so nötig hatten! Wie sollte man sonst einigermaßen ungestört auf ihrem Dach herumspazieren? Aber es half nichts.
    Ungestört oder nicht – auf das Dach mußten sie.
    Es war gar nicht so schwer. Gren, der Alte, hatte freundlicherweise eine Leiter an den einen Giebel des Hauses gestellt.
    Zwar stand die Leiter dicht neben Grens Fenster, dem Fenster, das erleuchtet war, und das Fenster stand offen hinter einer zur Hälfte herabgelassenen Jalousie. Und es war nicht sicher, ob Gren besonders entzückt sein würde, wenn er den Kopf aus dem Fenster stecken und zwei Weiße Rosen sehen würde, die in voller Fahrt auf sein Dach kletterten. Aber im Krieg der Rosen durfte man sich durch derartige Bagatellen nicht stören lassen.
    Unbeirrt mußte man den Weg der Pflicht gehen, auch wenn er über Grens Dachfirst führte.
    »Geh du voran«, sagte Eva-Lotte ermunternd. Das tat Kalle.
    Vorsichtig, ganz vorsichtig begann er, die Leiter hinaufzuklettern. Eva-Lotte folgte ihm schnell und leise. Gefährlich konnte es ja erst werden, wenn sie sich auf gleicher Höhe mit dem er-leuchteten Fenster im oberen Stockwerk befanden.
    »Gren hat Besuch«, flüsterte Kalle Eva-Lotte zu. »Ich höre, wie sie zusammen sprechen.«
    »Steck den Kopf rein und bitte für uns um ein Stück Kuchen«, meinte Eva-Lotte und kicherte zufrieden über ihren eigenen Vorschlag.
    Kalle ließ sich nicht beirren. Er setzte seinen Weg zum Dach fort, so schnell er konnte. Auch Eva-Lotte hatte es eilig, als sie an der Fensteröffnung vorbei mußte. Ja, Gren hatte Besuch, man konnte es deutlich hören. Kuchen wurde aber nicht serviert. Jemand stand mit dem Rücken zum Fenster, jemand, der mit tiefer Stimme aufgeregt sprach. Eva-Lotte konnte zwar nur ein Stück von dem Sprechenden sehen, da die Jalousie ja zur Hälfte herabgelassen war; aber sie sah, daß der Besuch von Gren dunkelgrüne Gabardinehosen anhatte. Und dann hörte sie seine Stimme.
    »Ja, ja, ja«, sagte er ungeduldig. »Ich
werde
versuchen. Ich
werde
bezahlen. Daß ich endlich aus dieser Hölle heraus kann!«
    Darauf hörte sie Grens weinerliche Greisenstimme: »Das haben Sie schon oft gesagt. Jetzt will ich aber nicht länger warten.
    Sie werden verstehen – ich muß mein Geld haben.«
    »Sie werden es bekommen, sage ich.« Es war der Fremde, der nun wieder sprach. »Wir treffen uns am Mittwoch. An der gewohnten Stelle. Bringen Sie meinen Revers mit, nein, alle Reverse, jeden einzigen. Ich werde sie alle einlösen. Es muß endlich Schluß damit sein.«
    »Der Herr braucht sich doch nicht so aufzuregen. Sie verstehen doch, daß ich mein Geld haben muß«, antwortete Gren beruhigend.
    »Blutsauger!« sagte der Fremde, und man hörte, daß er es auch meinte.
    Eva-Lotte kletterte schnell weiter. Kalle wartete, auf dem Dachfirst sitzend, auf sie.
    »Die da unten hatten Krach wegen Geld«, erklärte Eva-Lotte.
    »Sicherlich prozentuieren die beiden«, vermutete Kalle.
    »Ich möchte wissen, was ein Revers ist«, sagte Eva-Lotte nachdenklich. Dann aber setzte sie hastig hinzu: »Ach, ist ja ganz egal! Komm, Kalle!«

    Um in die Nähe von Jontes Fenster zu kommen, mußten sie quer über das Dach zur gegenüberliegenden Seite balancieren.
    Recht

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