Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalle Wirsch und die Wilde Utze

Kalle Wirsch und die Wilde Utze

Titel: Kalle Wirsch und die Wilde Utze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilde Michels
Vom Netzwerk:
Wirsch und Juke die
schillernden Blasen, die sanft und immer dichter herandrängten. In ihrer zarten
Beschaffenheit waren alle gleich; sie unterschieden sich aber in ihrer Form.
Einige waren kugelrund, andere birnen- oder gurkenförmig. Auf jedem dieser
Gebilde, die Kopf und Bauch in einem waren, saß ein Mund.
    »Oooooh«, machte Juke, »die singen wunderschön.
Und zum Anschauen sind sie auch wunderschön. — Was sind das für Wesen?«
    Die Melodie aus der Luft schwoll an, und
vielstimmig kam die Antwort: »Wer’s nicht errät, wird’s nie erfahren.«
    Kalle Wirsch hatte bisher geschwiegen. Jetzt
trat er vor und nannte seinen Namen.
    »Wir wohnen tief in der Erde und kennen euch
nicht«, sagte er. »Seid ihr uns freundlich oder feindlich gesinnt?«
    Wieder schwoll der Gesang an, und Kalle Wirsch
verstand die Worte:
    »Freund oder Feind, du mußt’s ergründen.«
    »Auf welche Weise soll ich das ergründen?«
fragte er.
    »Löse das Rätsel, dann wird sich’s finden.«
    »Im Rätsellösen ist Kalle Wirsch erstklassig«,
rief Tutulla. Kalle Wirsch sagte: »Ich will’s versuchen. Stellt mir euer
Rätsel!«
    Da klang es von allen Seiten: »Was ist das?:
     
    Du
greifst nach ihr,
    doch
du faßt sie nicht.
    Du
schaust hindurch,
    doch
du siehst sie nicht.
    Sie
hat keinen Körper,
    sie
hat kein Gesicht,
    sie
lastet auf dir,
    doch
du spürst kein Gewicht.
    Und
ohne sie leben
    kannst
du nicht.«
     
    Die Stimmen schwiegen. Kalle Wirsch hielt den
Kopf gesenkt und lauschte den Worten nach. Dann begann er, sie langsam zu
wiederholen:
     
    »Du
greifst nach ihr,
    doch
du faßt sie nicht.
    Du
schaust hindurch,
    doch
du siehst sie nicht...«
     
    Er hielt inne und schaute in die durchsichtige,
schwebende Schar über ihm.
    Juke nickte begeistert. »Wunderschön. Aber
schwer.«
    »Schön schwer«, seufzte Tutulla.
    Kalle Wirsch war ganz gefangengenommen von dem
Rätsel und fuhr fort:
     
    »Sie
hat keinen Körper,
    sie
hat kein Gesicht.
    Sie
lastet auf dir,
    doch
du spürst kein Gewicht...
     
    Wie war das letzte?« fragte er.
     
    »Und
ohne sie leben
    kannst
du nicht«,
     
    halfen ihm die Stimmen.
    Tutulla schlug energisch mit den Flügeln und
erklärte: »Dazu fällt mir nicht das Geringste ein.«
    »Ich liebe Rätsel«, sagte Juke.
    »Ich bin mehr fürs Eindeutige«, sagte Tutulla.
»Kein Gesicht und kein Gewicht...! — Was soll man damit anfangen?«
    »Darüber nachdenken«, empfahl Juke.
    »Ich habe schon nachgedacht.«
    »Aber sicher nicht gründlich, liebe Tutulla«,
mischte sich Kalle Wirsch ein. »In letzter Zeit bist du überhaupt sehr
verhuscht und oberflächlich.«
    »Hast du denn selbst schon gründlich
nachgedacht, Kalle Wirsch?«
    »Gewiß.«
    »Und?«
    »Es war gar nicht so schwer.«
    »Hast du es herausbekommen?« fragte Juke.
    Die Stimmen über ihnen schwirrten: »Weißt du das
Wort? Kannst du es nennen?«
    »Und wenn ich es euch sage?« fragte Kalle
Wirsch, »sagt ihr mir dann, wer ihr seid?«
    Die schillernden Blasen tanzten um ihn herum:
»Hast du die Lösung, wirst du uns kennen.«
    Da sagte Kalle Wirsch: »Die Lösung des Rätsels
heißt: die Luft.«
    Ein vielstimmiger fröhlicher Gesang antwortete
ihm: »Die Luft, die Luft, er hat uns benannt. Die Luft, die Luft, er hat uns
erkannt.«

    »Unglaublich!« rief Tutulla. »Diese schillernden
Dinger sind einfach Luft?«
    »Luftgeister«, erklärte Kalle Wirsch.
    »Luftgeister!« schwärmte Juke. »Durchsichtig,
hauchzart, schillernd, schwebend. — Oh, mit Kalle Wirsch erlebt man wundervolle
Dinge.«
    Die Robbe hatte das Geschehen stumm und erstaunt
verfolgt. Jetzt gab sie ein leises heiseres Husten von sich und sagte:
»Luftgeister? Ja was! Ich komme so oft auf diese Insel, aber ich habe immer nur
ihr Sirren und Summen gehört. Gesehen habe ich sie nie.«
    »Wir zeigen uns nur, wenn man uns braucht«,
sangen die Luftgeister.
    »Wir hätten zwar Hilfe dringend nötig«, sagte Tutulla,
»aber könnt ihr denn überhaupt noch etwas anderes außer Singen und Schweben?«
    Da antworteten die Luftgeister: »Wir blasen die
Wolken, wir jagen den Wind, wir wühlen das Meer auf bis auf den Grund.«
    Kalle Wirsch schaute zu den Luftgeistern auf und
betrachtete dann mit gerunzelter Stirn das Meer. Man sah, daß er von einem
Gedanken heftig bewegt wurde. Und dann fragte er: »Bis auf den Grund? Meint ihr
das wirklich so?«
    »Wir blasen die Wolken, wir jagen den Wind, wir
wühlen das Meer auf bis auf den Grund«, wiederholten die Luftgeister.
    Kalle Wirsch nickte

Weitere Kostenlose Bücher