Kalle Wirsch und die Wilde Utze
zufrieden. »Ich glaube, ich
hab’s«, sagte er. »Die Robbe hat uns doch erzählt, daß Kulax immer am
Meeresgrund hockt, weil er keine Luft verträgt.«
»Richtig«, bestätigte die Robbe. »Wenn ihn ein
Lufthauch trifft, muß er sterben.«
»Und wenn das Meer aufgewühlt wird bis zum Grund...«
überlegte Kalle Wirsch weiter.
»Dann... aber das ist... das wäre...« Tutulla
stotterte vor Erregung.
»Das wäre die Lösung«, sagte Kalle Wirsch. »Wenn
die Luftgeister uns helfen wollen, wenn sie einen Sturm entfachen, der das
Wasser auseinanderpeitscht, dann wird der grausige Kulax von der Luft
getroffen.«
»Dann ist es aus mit ihm«, schrie Tutulla.
»Ganz und gar aus«, bekräftigte Juke.
Kalle Wirsch wandte sich wieder an die
Luftgeister. »Könnt ihr das für uns tun?«
Anstelle einer Antwort ließen die Stimmen ihre
sirrenden Töne vernehmen, die allmählich aber zu einem Tosen anschwollen. Ein
Brausen und Orgeln erfüllte die Luft, und dann brach ein tobender Sturm los.
Aus den zarten Luftgeistern wurde eine Schar
wilder heulender Wesen. Sie bliesen, daß die Wellen hoch aufspritzten. Sie
warfen sich auf das Meer, daß sich das Wasser teilte. Sie hörten nicht auf, bis
sich ein wirbelnder Krater gebildet hatte, ein Luftloch, das bis auf den Grund
der Korallengrotte reichte. — Einen Augenblick lang lag Kulax’ riesiger Leib
bloß an der Luft. Und das genügte.
Ein Zittern überrieselte ihn. Peitschendes
Zischen ertönte. Im Meer grollte und brodelte es. Giftgrün schäumte das Wasser
auf. Das Weiße Riff wurde geschüttelt von Schlägen. Es sah aus, als sollte es
ins Meer versenkt werden.
Tutulla schrie auf, und Juke ergriff bleich vor
Entsetzen Kalle Wirschs Hand.
Plötzlich aber, auf einen Schlag, war alles
vorüber. Das Meer wogte noch eine Weile, dann beruhigte es sich. Und über der
Insel schwebten die Luftgeister wieder leicht und heiter wie zuvor.
»Das war aber ein Getöse«, sagte Tutulla, die
sich schnell wieder gefaßt hatte.
»Mir zittern noch die Flossen«, sagte die Robbe.
»Kulax hat seine ganze Elektrizität auf einmal entladen. So schlimm war’s noch
nie.«
»Dafür war’s aber auch das allerletzte Mal«,
beruhigte sie Kalle Wirsch.
»Ist der grausige Kulax wirklich tot?« fragte
Juke.
Die Antwort kam von den Luftgeistern. Sie
summten: »Tot und zerfallen, getroffen von Luft.«
»Was für eine Kraft in euch steckt!« sagte Juke
mit Bewunderung.
»Es ist die Kraft, die in allen Elementen
steckt«, sagte Kalle Wirsch. »Man sieht der kleinen Flamme nicht an, wie
mächtig ein Feuer sein kann. Man erkennt im Wassertropfen nicht die Gewalt des
Meeres und in einem Krumen Erde nicht die Lebenskraft, die darin verborgen ist.
Genauso ist es mit der Luft. Da gibt es sanften Wind und entfesselten Sturm,
wie wir ihn eben erlebt haben.«
Juke hielt den Kopf geneigt und hörte genau zu.
»Ich hab’s gern, wenn du etwas erklärst, Kalle Wirsch.«
Kalle Wirsch blickte wieder auf zu den
Luftgeistern. »Ich danke euch«, sagte er. »Eure Hilfe kam unerwartet und zur
rechten Zeit. Ich biete euch meine Freundschaft an. Wenn ihr uns einmal
brauchen solltet, könnt ihr euch auf uns verlassen.«
15. Kapitel
Befreiung
und Erlösung
W ie geht es denn jetzt weiter?« erkundigte sich Tutulla. »Was wird
aus den Meermenschen?«
»Das Tor zum Verlies ist frei«, sagte Kalle
Wirsch. »Wir können sie herausholen.«
»Wir?« fragte Tutulla. »Da stehen wir doch
wieder vor dem gleichen Problem: Keiner von uns kann hinuntertauchen.«
»Keiner zum Tauchen — zu gebrauchen«, reimte
Juke.
»An mich denkt ihr wohl nicht?« fragte die
Robbe. »Ich kann schwimmen und tauchen, und ich habe kräftige Flossenbeine. Mit
denen kann ich ein Tor leicht aufkriegen.«
»Wunderbar!« rief Tutulla. »Was für ein Glück,
daß wir dich getroffen haben.«
»Wir nehmen deine Hilfe gern an«, sagte Kalle
Wirsch.
»Dann schwimme ich jetzt gleich hinunter in die
Korallengrotte und schaue, was da los ist.«
Die Robbe watschelte über den Strand ans Wasser,
stürzte sich mit einem Kopfsprung hinein und tauchte unter. Dann paddelte sie
steil hinab in die Korallengrotte.
Der Anblick, der sich ihr dort bot, war
abstoßend und komisch zugleich: Kulax’ riesiger Quallenleib war zu einer leeren
Haut zusammengefallen. Faltig lag sie auf dem Boden der Grotte. Die Robbe
zögerte nicht lange, nahm die Haut an einem Ende zwischen ihre Zähne und zog
sie aus der Grotte heraus.
Da kam die Falltür zum Vorschein, die
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