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Kalogridis, Jeanne - Die Seherin von Avignon

Kalogridis, Jeanne - Die Seherin von Avignon

Titel: Kalogridis, Jeanne - Die Seherin von Avignon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Marienstatue im Olivenhain wieder ein.
    »So etwas ist nur einmal geschehen seit Anbeginn des Geschlechts: Ihr, meine liebe Schwester Marie, ob Ihr es nun mit Eurem Herzen glaubt oder nicht und obwohl Ihr erst noch zu Euch finden müsst, verkörpert die Göttin.«
XII
    Im Laufe der nächsten Jahre lernte ich dank Mutter Geraldines Hilfe viel dazu. So auch, dass die beiden Mittel der Weihe - das heißt, Zauberkraft zum Guten oder zum Bösen einzusetzen - der Tod und die Liebe waren. Letzteres werde dabei von den Praktizierenden gewöhnlicher Magie zumeist als Zeugungsakt ausgelegt, erklärte sie. Zwar sei allein mit dem Körperlichen schon ein gewisser Grad der Weihe vollzogen, gab sie zu, doch die Erlangung der größten Macht liege allein in dem Akt des Mitgefühls, das über das eigene Selbst hinausgehe. In diesem Sinne habe demnach die körperliche Vereinigung des Herrn mit der Herrin in vergangenen Generationen tatsächlich ein hohes Maß an Macht errungen.
    Noni hatte selbstlose Liebe und freiwillige Hingabe an den Tod miteinander verbunden und meiner Weihe dadurch doppelte Kraft verliehen. Nun war es mir möglich, meinen Geliebten zu finden und zu weihen, damit er noch mächtiger wurde.
    Zunächst jedoch mussten er und ich besonders ausgebildet und vorbereitet werden, da die Gefahr in dieser Generation angeblich so groß war wie nie zuvor. Bis dahin war ich gegenüber den Angriffen des Feindes außerordentlich verwundbar.
    Die Unterweisung fand im Kreis mit den anderen Schwestern des Geschlechts statt - einem Kreis, der jenem sehr ähnlich war, an dem ich mit Noni teilgenommen hatte. Zunächst erfolgte die Anrufung des Lichts. Geraldine zog die leuchtende Kraft mit Worten, die wie Nonis klangen, zu sich herab. Die Ehrwürdige Mutter erklärte mir später, es sei Hebräisch, nicht Italienisch, wie ich zunächst geglaubt hatte, denn zu der Zeit, als die Templer gezwungen waren zu fliehen, um ihr Leben zu retten, fanden sie bei vielen Hexen Schutz, und sie brachten einander bei, was sie über Magie wussten.
    Die Zusammenkunft, bei der auch die hoch aufragenden Wesen in verschiedenen Farben - die Erzengel Raphael, Michael, Gabriel und Uriel - und die Sterne eine Rolle spielten, fand tief unten im Keller statt. Dieses kleine Versteck mit kaltem Boden hinter dicken Lehmwänden war ein Vermächtnis aus den Zeiten, in denen Carcassonne häufig Eindringlinge gesehen hatte. Umgeben von roh behauenen, feuchten Steinwänden, ohne ein Fenster, das etwas von der Dunkelheit nahm, führten wir weder Werkzeuge noch magische Gegenstände mit uns, nur eine Öllampe und die Kraft unserer Herzen. Geraldine machte sich nicht einmal die Mühe, auf dem Boden einen tatsächlichen Kreis zu ziehen. Doch das Unsichtbare war spürbar gegenwärtig. Im Dunkeln, so stellte ich damals fest, sehen wir mit unserem Zweiten Gesicht am besten. Dort, in dem kleinen Gemach, beschützt von der Äbtissin und meinen Schwestern - und im Schutz vieler Unsichtbarer, verstreut über viele Städte und Länder, die eher im Geiste denn körperlich an unserem Treffen teilnahmen -lernte ich allmählich, meine Sehergabe bewusst einzusetzen und zu lenken.
    »Denk an deinen Feind«, murmelte Geraldine in jenem ersten Kreis, nachdem wir alle sicher von einer Kugel aus schimmerndem Blaugold umhüllt waren. Sie nahm meine rechte Hand in die ihre, die linke wurde von Marie Magdeleine ergriffen, deren wiederum von Schwester Barbara und Schwester Barbaras von Schwester Drusilla, deren Hand von Schwester Lucinde ... In jener Nacht waren wir zu sechst, und alle damals Anwesenden segne ich, denn ohne sie hätte mich der Feind bestimmt entdeckt. So war ich mit Hilfe der guten Nonnen für ihn unsichtbar und unerkannt - vollkommen sicher.
    »Denke an den Feind in deinem Herzen«, fuhr Geraldine fort, »dann wird bald sein Bild vor dir auftauchen ...« Ich holte tief Luft, da mich allein der Gedanke zutiefst beunruhigte. Gewiss waren diese Frauen irregeleitet, dass sie es wagten, mich für eine Göttin zu halten, durchaus würdig, ein Werkzeug Ihrer Macht zu sein. Ich hingegen war nur allzu menschlich: schwach, ängstlich, furchtsam ... Magdeleine drückte mir die Hand. Ich wandte mich ihr zu und musterte ihr Profil im Lampenschein, die leichte Wölbung der Stirn, die entspannte Rundung des geschlossenen Augenlids, die geschwungenen Augenbrauen, die golden schimmernde Wange - ein Abbild heiterer Gelassenheit. Ich spürte, wie mich der gleiche Friede überkam, spürte, wie meine

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