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Kalogridis, Jeanne - Die Seherin von Avignon

Kalogridis, Jeanne - Die Seherin von Avignon

Titel: Kalogridis, Jeanne - Die Seherin von Avignon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Thomas wieder an und nickte kurz. Am Tag zuvor hatte sie so zerbrechlich und klein auf Michel gewirkt. Jetzt schien sie sehr wohl fähig, einem Kloster vorzustehen und einem Bischof Angst einzujagen.
    »Und dass Ihr nur ihm gestehen wollt«, ergänzte Thomas, »und keinem anderen.«
    »Ja, ja, das habe ich gesagt, doch all das hat nichts zu tun mit dem Leiden meiner Nonnen!«
    Ein kleiner Laut des Unmuts kam über Thomas' leicht geöffnete Lippen. »Eure Nonnen werden gerecht behandelt - nach dem Kirchengesetz -genau wie Ihr, Schwester. Und jetzt sagt rasch und ehrlich: Wollt Ihr vor mir ein Geständnis ablegen?«
    »Ich sage es noch einmal: Ich gestehe nur vor Bruder Michel.«
    »Nun gut«, meinte der Priester kurz angebunden. »Aufgrund Eurer Stellung innerhalb der Kirche werde ich Eurer Bitte nachgeben und Euer Geständnis von Bruder Michel anhören lassen. Solltet Ihr aber lügen oder auf andere Weise das Privileg missbrauchen, welches wir Euch gewähren, werdet Ihr tatsächlich mit Euren Schwestern leiden.«
    Thomas' Seidengewänder raschelten, als er aufstand und den Raum verließ. Michel folgte ihm.
    Kaum waren sie vor der Tür, zögerte Thomas. Sein Blick war in die Ferne gerichtet. Aus der Folterkammer hallte heiseres Gelächter durch den Korridor, doch er schien es nicht zu hören, als er Michel vertraulich zur Seite nahm. Er verhielt sich so ernst, wie Michel es noch nie gesehen hatte.
    »Nimm ihr das Geständnis ab, Bruder, und ich werde dafür sorgen, dass es in den Augen der Kirche legal erscheint. Achte nur darauf, dass wir innerhalb der drei vorgegebenen Tage genug Beweismaterial sammeln, um sie verurteilen zu können. Vor Rigauds Palast hat das Volk sich bereits versammelt, um zu protestieren. Wir mussten die Wachen rufen, um die Menge zu zerstreuen. Sie muss rasch sterben.«
    Thomas streckte die Hände aus, und Michel überreichte ihm das schwarze Bündel und den Gürtel, der Federkiel und Tin-tenhorn enthielt. Er selbst behielt die Wachstafeln und den Griffel. Dann machte sich der blonde Priester auf den Weg in die Gemeinschaftszelle. Als Thomas während der Übergabe von ihrer Verurteilung und ihrem Tod sprach, verzog Michel keine Miene, doch im Herzen hatte er bereits entschieden, mit Gottes Hilfe sein Bestes zu tun, um ihre wahre Bekehrung und die Entlassung zu erreichen.
    Heilige Mutter Gottes, beschütze mich vor ihrer bösen Magie...
    Michel holte tief Luft und betrat mit einem Triumphgefühl die Zelle. Er schloss die Tür hinter sich, die unverriegelt blieb.
    »Mutter Marie Francoise?« Jetzt, da er allein mit ihr war, wie in seinem Traum, fühlte Michel sich dennoch imstande, seine unzüchtigen Gefühle zu beherrschen, obwohl sie noch immer anhielten. Er wollte der Äbtissin nur helfen und sie mit der Demut behandeln, die ihrer Heiligkeit geziemte. Sie wandte ihm das geschwollene Gesicht zu und betrachtete ihn mit einem gefühlvollen Blick, den er nicht zu deuten vermochte.
    »Bruder.« Ihre Stimme klang sanft, als wendete sie sich jetzt an einen engen Freund. »Uns bleibt so wenig Zeit... Ich weiß, was man für mich plant. Wollt Ihr mein Geständnis hören? Wollt Ihr es nach bestem Vermögen niederschreiben, so wie ich es erzähle?«
    »Ja«, antwortete er mit ernster Miene. »Weil Gott allein mich darum gebeten hat. Er ist es auch, der Euch strafen wird, falls Ihr den bösen Zauber, mit dem Ihr Vater Charles belegt habt, nicht auflöst -und weiterhin versucht, mich zu verhexen.« Er setzte sich, nahm Tafel und Stift und fügte hinzu, die Hand über der Tafel: »Verstellt Euch nicht, Äbtissin.«
    »Nein.«
    Also begann Michel zu schreiben:
    Anno 1357, am dreiundzwanzigsten Tage des Oktober, wurde eine gewisse Mutter Marie Francoise, Äbtissin des Franziskanerklosters zu Carcassonne, in aller Form dem Dominikaner ...
    Hier ließ er eine Lücke, die groß genug für seinen Namen oder den eines anderen war, und fuhr dann fort: ..., Inquisitor gotteslästerlicher
    Verwerflichkeit, delegiert vom Apostolischen Bischofssitz in Frankreich, vorgeführt. Sie hat, nachdem ihr der Eid auf die heiligen Psalmen Gottes abgenommen wurde, die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen über die Verbrechen der Gotteslästerung und Hexerei, sowohl was sie selbst als Vorsteherin eines Klosters betrifft, wie auch als Zeugin bei anderen Personen, lebender oder toter. Gesagt und gestanden ...

III
    Ich heiße Marie Sybille de Cavasculle, und ich wurde in einem Dorf vor den Stadtmauern von Toulouse mit einer

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