Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft
erschöpft fühlen. Eine Geburt ist eine groÃe Lebensumstellung und eine enorme körperliche Belastung. Es ist nichts Ungewöhnliches, sich zeitweise überfordert zu fühlen. Um aber die »normale« Anstrengung und Erschöpfung von einer Depression zu unterscheiden, sind zwei Symptome entscheidend. Wird die Frau nachts von Ãngsten und einem Zwang zum Grübeln wachgehalten und nicht vom Stillen des Babys, so ist das ein Hinweis. Ein zweiter, wenn sie sich überhaupt nicht über ihr Kind freuen kann. Es kann nämlich sein, dass das Wickelkind vollkommen pflegeleicht ist, sich die Mutter aber trotzdem aufgerieben und mies fühlt. Die negativen Gefühle der Depression haben mit dem Kind nichts zu tun, der Säugling wird genauso in die Depression hineingezogen wie alle anderen sie umgebenden Menschen.
Mütter, die ihren Säugling nicht stolz jedem herzeigen mögen, die spüren, dass sie ihr Kind nicht wirklich lieben, plagen oft groÃe Schuldgefühle. Es fällt ihnen sehr schwer, sich das überhaupt einzugestehen. Dabei ist Mutterliebe ein Gefühl wie jedes andere auch, Schwankungen gehören dazu. Manche Mütter, oft gefühlsmäÃig selbst sehr bedürftig, sind zum Beispiel â heimlich â von ihrem Kind enttäuscht, weil es nicht die emotionalen Wünsche erfüllt, wie sie es sich vorgestellt hatten. Doch wenn eine Frau über Wochen und Monate überhaupt gar keine Freude an ihrem Baby hat, keine Liebe empfindet, ist das ein Zeichen für eine postnatale Depression. Es ist dann wichtig, sich zuzugestehen, dass so etwas vorkommen kann â und die Mutter ist auch hier nicht schuld.
Normalerweise sorgt das Hormon Oxytocin dafür, dass Mütter ihre Kinder lieben; es wird vermehrt beim Geburtsprozess und beim Stillen im Körper produziert. Ist die Ausschüttung des »Liebeshormons« gestört, kann auch dadurch eine Depression ausgelöst werden. Wichtig ist zu wissen, dass Frauen, bei denen das der Fall ist, Antidepressiva nehmen können, wenn sie stillen! Natürlich müssen die Betroffenen sehr genau untersucht und beobachtet, muss jegliches Risiko abgewogen werden.
Grundsätzlich sollte man bei einer postnatalen Depression zum Arzt oder zum Psychotherapeuten gehen. Zwar kann eine solche auch spontan wieder abklingen, doch 50 Prozent der Frauen leiden nach der nächsten Geburt wieder daran. AuÃerdem wirkt sich die Depression der Mutter nachweislich negativ auf das Kind aus. 27 Man merkt das den Kindern zuerst nicht unbedingt an, sie sind normalerweise sehr passiv, zurückgenommen und pflegeleicht. Aber weil sie weniger Ansprache bekommen als Kinder von nicht-depressiven Müttern, reagieren sie darauf, indem sie weniger die Welt erkunden. Langfristig können diese Kinder Verhaltensauffälligkeiten und Verzögerungen in ihrer geistigen Leistungsfähigkeit aufweisen. 28
Alarmsignale sind massive Schlafstörungen, die die Mütter morgens mit dem Gefühl aufwachen lassen: »O Gott, ich schaffe den Tag mit dem Kind nicht.« Oder sie machen sich dauerhaft Sorgen, grübeln ständig. Auch wer sehr zwanghaft reagiert, zum Beispiel übertrieben hygienisch ist, sollte professionelle Hilfe suchen. Wer gar den inneren Drang verspürt, dem Kind etwas antun zu wollen, sollte dringend zum Psychotherapeuten gehen. Meist reicht deren Hilfe; Medikamente können ergänzend oder bei sehr schweren Depressionen genommen werden (sie schaden dem Kind in der Regel nicht).
Depressive Frauen und die Wechseljahre
Die Phase vor, während und nach der Menopause bedeutet eine Umbruchsituation im Leben einer Frau â meist vollzieht sich ein Rollenwechsel, verbunden mit dem Wissen, keine Kinder mehr bekommen zu können. Oberflächlich betrachtet liegt es also nahe, zu glauben, dass Depressionen in diesen Jahren gehäuft auftreten. Das ist allerdings nicht der Fall. (An Depressionen erkranken Männer wie Frauen ja verstärkt im Alter von fünfundzwanzig bis fünfundvierzig Jahren.) Tatsache ist jedoch, dass die Wechseljahre, die meist zwischen dem fünfundvierzigsten und dem fünfundfünfzigsten Lebensjahr einsetzen, körperliche Veränderungen mit sich bringen. Die Funktion der Eierstöcke lässt nach, und bei zwei Drittel der Frauen, insbesondere in den westlichen Industrienationen, stellt sich ein typisches Beschwerdebild ein, mit Hitzewallungen, Gewichtszunahme,
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