Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft
Hersteller Zehnerpackungen an.
⢠Das Gesundheitssystem sollte daran angepasst werden, dass mehr und mehr Menschen psychisch erkranken. In der Konsequenz würde das bedeuten, dass Hausärzte verstärkt Gesprächszeiten abrechnen können.
⢠Eine intensive Aufklärung über Beruhigungsmittel wäre notwendig, auch staatlicherseits.
⢠Trotz aller Risiken: Psychopharmaka keineswegs verteufeln! Es geht um einen angemessenen Umgang.
⢠Genauso wichtig ist es, die eigenen Belastungen ernst zu nehmen und gut für sich selbst zu sorgen.
11 »Und wie fühlen Sie sich dabei?« â Hilfe durch Psychotherapie
D rei Deutungen, drei kleine Sätze stellten meine Welt auf den Kopf. Dr. Weston, mein neuer Therapeut, hatte sie ausgesprochen. Diese drei Sätze haben mein Leben so massiv, so radikal, so grundlegend verändert, als hätte man mir bewiesen, dass die Erde doch eine Scheibe ist.
Das geschah im Frühjahr 2007. Auf welchem verworrenen Pfad ich zu ihm kam, ist nur mithilfe meines Therapiewerdegangs zu erklären. Im Alter zwischen zwanzig und dreiÃig war ich erst bei einem Gesprächstherapeuten, danach bei einer systemisch arbeitenden Therapeutin, anschlieÃend machte ich eine Verhaltenstherapie. Diese Behandlungen hatten mir durchaus geholfen. Ich verstand, dass ich einem Idealbild von mir hinterherlief, das mit meinem Selbstbild wenig zu tun hatte. Mir wurde klar, dass ich mir, geprägt von meinem Vater, ein extrem leistungsorientiertes Umfeld gesucht hatte. Meine Zwangshandlungen hörten auf. Aber es kam mir so vor, als wären in den jeweiligen Therapien immer nur Teilstücke von mir gesehen und behandelt worden. An meinen Empfindungen änderte sich wenig. Doch niemals hätte ich gesagt: »Ich fühle mich nicht verstanden.« Oder: »Was Sie sagen, klingt plausibel, aber ich kann es nicht umsetzen.« Es wäre, dachte ich, meine Aufgabe, mich den anderen anzupassen. Denn sie hatten die richtigen Ansichten, ich die falschen. Mein Leben lang hatte ich das Gefühl, mit dem Tod meiner Mutter auch meine Muttersprache verloren zu haben. Als wäre ich von jetzt auf gleich in ein fremdes Land versetzt worden. Also lernte ich die Terminologie der mich umgebenden Menschen, gebrauchte sie schlieÃlich so sicher, dass man mir meinen »Akzent« nicht anhörte. Aber tief in mir empfand ich mich immer als anders. Als nicht gesehen, so wie Beckmann in Wolfgang Borcherts DrauÃen vor der Tür.
Als Philipp sich Anfang 2006 von mir trennte, ging ich zu Dr. Levi. Er war Psychoanalytiker in einer Ambulanz und bot mir eine Kurzzeittherapie zur Bewältigung der Krise an. Er war der erste Therapeut, bei dem ich das Gefühl hatte, dass er mich sah, wie ich wirklich war. Eigentlich bin ich unsicher, gehemmt, schüchtern, ängstlich und schwach. Ich wirkte aber selbstbewusst, laut, stark und energisch. Der Analytiker machte mir klar, dass meine Empfindungen die eines Kindes wären. Eines verzweifelten, geschundenen, überforderten, trauernden, zerbrechlichen kleinen Mädchens. Für mich eine bahnbrechende Erkenntnis! Er bestätigte, dass dieses Kind in Lebensgefahr schwebte. Er erfasste meinen kindlichen Schmerz so genau, dass ich mich von ihm gespiegelt fühlte. Aber auch bei Dr. Levi fehlte etwas Existenzielles, denn meine Not bekam zwar viel mehr Raum als früher, meine Gefühle änderten sich aber nicht. Das bemerkte er Gott sei Dank auch. Deshalb empfahl er mir nach meinem Zusammenbruch in Norwegen im August 2006 ein ganz bestimmtes Krankenhaus. Drei Monate war ich dort. Der Stationspsychologe durchschaute mich schnell. In der zweiten Einzelsitzung sprachen wir über das innere und das äuÃere Ich. Dr. Müller sah mich mit seinen dunkelbraunen Augen nachdenklich an und meinte: »Sie sind ein Taschenspieler. Doch Sie werden Anstrengung nicht durch Anstrengung lösen.«
Die Zeit, in der ich mich wie ein Schaumschläger, ein Blender gefühlt hatte, endete abrupt. Von wegen Heide-Superman! Nichts als billige Tricks. Als ich den Raum nach dreiÃig Minuten verlieÃ, war ich schweiÃgebadet â und erleichtert. Mit Dr. Müllers Hilfe ergründete ich mich bis in die letzten dunklen Winkel meiner Seele. Das war unangenehm, aber trotzdem viel besser, als nur wie eine akkurat getrimmte Hülle wahrgenommen zu werden. In diesem Krankenhaus bekam ich auch die Telefonnummer von Dr. Weston.
Weil
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