Kalt, kaltes Herz
nicht mehr mit ihm reden kann?« Sie zuckte die Achseln. »Reden kann er noch.«
»Gut. Dann also los.«
Emma blickte hinüber zu Bennet. »Der Gute hat einen höheren Stundenlohn als Sie. Außerdem kriege ich sein Honorar nicht erstattet.« Sie stand auf. »Nur noch einen kleinen Augenblick.« Sie ging zur Bar.
»Du hast die Frage unserer Frau Bürgermeisterin nicht beantwortet«, sagte Levitsky.
»Welche Frage?«
»Was dein Bauch dir sagt.«
»Ich denke, du gibst nichts auf Gefühle.«
»Auf deine schon.« Er lächelte.
Ich trank den letzten Schluck Champagner. »Lieber nicht. Sie haben mich schon zu oft getrogen.« Emma Hancock blieb in ihrem Büro, und Zangota brachte mich in Lucas' Zelle. »Wie geht's dem Jungen?« fragte ich, als wir den Flur überquerten.
»Wir haben ihn in der Jugend-Footballmannschaft angemeldet«, antwortete er. »Meine Frau glaubt, daß er ganz groß rauskommt.«
»Prima. Aber ich meine nicht Ihren Sohn, sondern den jungen, den wir in der Wohnung unter Mercury und Monique gefunden haben.«
»Genau.« Er grinste. »Enrique. Meine anderen beiden Kinder sind Mädchen.«
Verdutzt blieb ich stehen.
Zangota legte die letzten Schritte zur Zelle zurück und schüttelte den Schlüsselbund, um den richtigen herauszufischen. »Ich mußte ständig an Ihre Worte denken, daß ein Großteil der Pflegeeltern nichts taugt.« Er sah mich an. »Denn das stimmt. Meistens geht es ihnen nur ums Unterhaltsgeld. Und weil ich Glück gehabt hatte, wurde mir klar, daß ich mich revanchieren muß.«
Ich bekam eine Gänsehaut. »Sie haben den Jungen zu sich geholt?«
»Irgend jemand mußte ihn ja nehmen.« Er schob den Schlüssel ins Schloß und drehte ihn um. »Ich habe beim Jugendamt angerufen und erklärt, daß ich zur Verfügung stehe.«
Plötzlich erfüllte mich Freude.
»Ein gutes Gefühl. So schließt sich der Kreis.« Er zog die Eisentür auf. »Vierte Zelle links. Brauchen Sie mich noch?« Ich räusperte mich. »Danke. Ich komme schon zurecht.« Ich trat auf den Korridor, doch dann blieb ich stehen und sah Zangota nach. So stand ich noch da, als er die Tür schon längst wieder geschlossen hatte. Warum hatte ich nicht gemerkt, daß er etwas ganz Besonderes war?
Lucas' Stimme holte mich in die Gegenwart zurück. Was er sagte, konnte ich nicht verstehen, doch er wiederholte die Worte immer wieder in einem monotonen Singsang. Ich drückte mich an der Wand entlang, als ich zu seiner Zelle ging, denn ich malte mir aus, wie er am Gitter stand und seine Krallen nach mir ausstreckte. Doch an der Zelle angekommen, sah ich, daß er in ein Laken gehüllt im Schneidersitz auf dem Boden hockte und den kahlgeschorenen Kopf hängen ließ. Noch immer verstand ich nicht, was er vor sich herleierte.
»Beten Sie?« fragte ich.
Der Singsang ging weiter.
»Lucas!«
Er hielt inne, holte tief Luft und sah auf. Ein Auge war zugeschwollen, das andere blutunterlaufen, und die Haut um die Augenbraue war aufgeplatzt. Zwischen Nase und Oberlippe zeichnete sich ein schwarzblaues Hämatom ab. Zum Gladiator hätte ich mich nicht geeignet. Trotz allem, was Lucas mir angetan hatte, und obwohl ich ihn haßte, fragte ich mich, ob er nicht innere Verletzungen erlitten hatte.
Womöglich waren sie ebenso schlimm wie seine äußeren. »Spucken Sie Blut?« fragte ich ihn.
»Mir geht's gut«, antwortete er. »Ich dachte gerade an Kathy.«
»Vielleicht stattet sie Ihnen in den nächsten Jahrzehnten ja hin und wieder einen Besuch in MCI Concord ab.«
»Davon gehe ich aus«, nickte Lucas. »Sie bleibt den Männern in ihrem Leben treu und läßt sie nicht mehr los.« Er sah mich an. »An Sie klammert sie sich vielleicht sogar noch mehr als an mich.«
Entgegenkommen hatte ich nicht erwartet. Und so schwieg ich. »Aber ich komme nicht in den Knast.«
»Vielleicht nicht, wenn Sie sich O.J. Simpsons Anwalt nehmen.«
»Die Wahrheit wird sich durchsetzen.«
»Wenn Sie ein Alibi haben, sollten Sie allmählich damit herausrücken.«
»Mein Timing geht niemanden etwas an.«
Wollte Lucas damit auf irgendeinen Trick anspielen, mit dem er Wembleys vermutliche Todeszeit manipuliert hatte? »Das habe ich auch schon gehört. Wie haben Sie es hingekriegt?«
»Was haben Sie denn gehört?«
Ich wollte dem Verhör nicht vorgreifen, indem ich Lucas zu viel verriet. Noch bestand die Möglichkeit, daß er Wembley nicht ermordet hatte. »Was ist mit der Rolex auf dem Armaturenbrett?« Gespannt wartete ich auf seine Reaktion. Er legte den Kopf
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