Kalt kommt der Tod (German Edition)
weitere fünfzig jeweils in Jekaterinburg, Chabarowsk und Krasnojarsk.
Der KGB, der berüchtigte sowjetische Sicherheits- und Spionagedienst, war im Jahr 1991 in zwei russische Dienste aufgeteilt worden, FSB für das Inland und SVR für das Ausland. In Fachkreisen herrschte die Ansicht, dass diese Änderung rein kosmetischer Natur war.
Die drei Männer, die vor der Ankunftshalle in einen unauffälligen grauen Lieferwagen mit der Aufschrift Küchen Rüdinger stiegen, sind in Moskau gestartet. Die Kommandoleitung des FSB hatte sie in Marsch gesetzt, mit dem Befehl, das russische Privatschiff Carte Blanche zu kapern und den Sohn des Eigners, Dimitrij Choma, zu entführen, ein Geheimauftrag von nationalem Interesse, der kein Aufsehen duldete. Als einziger der Männer kannte ihr Anführer, Artjom Jerschow, auch den zweiten Teil der Mission: An Bord befand sich eine deutsche Geisel, die den Einsatz unter keinen Umständen überleben durfte.
Jerschow rutschte auf den Beifahrersitz und zog die Tür hinter sich zu.
»Ist alles vorbereitet?«, fragte er den Fahrer.
»Jawohl. Drei AK-74-Maschinenpistolen, drei GSch-18-Handfeuerwaffen, außerdem für jeden eine Panzerweste und ein Neoprenanzug«, antwortete der Fahrer, ohne aufzusehen. »Alles hinten drin. Auch das Schlauchboot.«
Jerschow schätzte die GSch-18, eine 9-mm-Pistole, mit 580 Gramm die leichteste ihrer Klasse. Der Kern der 4,2 Gramm schweren Kugel besteht aus Spezialstahl, deshalb ist sie besonders durchschlagkräftig. Acht Millimeter dicke Panzerung? Kein Problem.
Der Mercedes schob sich zwischen die abfahrenden Taxis und fädelte in den Verkehr Richtung Innenstadt ein.
»Es gibt Neuigkeiten«, sagte der Fahrer. »Aus der Einsatzzentrale. Die Carte Blanche ist schneller vorangekommen, als wir dachten. Einer unserer Satelliten wurde neu positioniert und lässt sie nicht aus den Augen. Wie es aussieht, könnte die Yacht bereits innerhalb der nächsten drei Stunden ihr Ziel erreichen. Sollte es Probleme geben, lautet die neue Anweisung, Dimitrij Choma zu töten und die Leiche zu beseitigen. Das gilt auch für seinen Vater, falls er uns in die Quere kommt. Choma, seine Frau und Boris Below sind heute Mittag mit seinem Privatflugzeug vom Flughafen Domodedowo abgeflogen.«
»Boris Below ist bei ihm?«, fragte Jerschow. »Bei Choma?«
»Und vier seiner besten Männer. Der Pilot hat Hamburg als Zielflughafen angegeben.«
»Das trifft sich gut. Mit Below habe ich noch zwei Rechnungen offen. Er war mein Ausbilder, bevor er sich in die Privatwirtschaft verabschiedet hat. Einen Drei-Tage-Marsch durch die Sümpfe von Pripjet im Hochsommer hätte ich beinahe nicht überlebt. Vierunddreißig Grad, nichts zu essen, kein Wasser. Drei von uns sind krepiert. Kommen wir rechtzeitig hin? An den Fluss, auf dem die Yacht in den Hafen einfährt?«
»Die Elbe. Im Moment ist das Glück auf unserer Seite. Ein chinesisches Containerschiff liegt mit Motorschaden in der Fahrrinne und blockiert den Verkehr. Auf beiden Seiten stauen sich die Schiffe. Vorerst kommt die Carte Blanche nicht dran vorbei.«
»Glück nenn ich was anderes«, erwiderte Jerschow. »Bei diesem Betrieb wird es schwierig, ungesehen an Bord zu kommen.«
106
Die Carte Blanche fuhr mit halber Kraft durch die raue See der Deutschen Bucht. Kapitän Danilo Nowikow hatte das Kommando an der Position Elbe 1 an einen Seelotsen übergeben, den er zuvor bei der Hamburger Hafenbehörde angefordert hatte.
Der Lotse dirigierte den Steuermann mit knappen Anweisungen flussaufwärts an den Untiefen vorbei Richtung Hamburg. In zwanzig Minuten würde ihn ein Elblotse ablösen, der wiederum bei Teufelsbrück durch den Hafenlotsen ersetzt werden würde. So ist es üblich, ein nahtloses System, das reibungslos funktioniert. Das Expertenwissen der Lotsen in ihrem Revier ist unerlässlich, denn mit jährlich hunderttausend Schiffsbewegungen zählt die Deutsche Bucht zu den am dichtesten befahrenen Gewässern der Welt. Hier ballen sich die Mündungsgebiete der Weser, der Jade und der Elbe. Das hohe Verkehrsaufkommen rund um die Uhr erhöht das Risiko von Unfällen mit katastrophalen Folgen, deshalb besteht Lotsenpflicht für alle ein- und auslaufenden großen Schiffe.
In der Statistik der größten Privatyachten lag die Carte Blanche von Wladimir Choma mit einhundertacht Meter Länge und siebzehn Meter Breite zwar deutlich hinter der Octopus von Microsoft-Mitbegründer Paul Allen, der Eclipse von Chomas Landsmann Roman Abramovich
Weitere Kostenlose Bücher