Kalt kommt der Tod (German Edition)
Brücke zu bauen.
»Ich heiße Anton, ist mein dritter Polarwinter auf Spitzbergen. Anton Zielinski«
»Woher bist du, Anton?«, fragte Jenna.
»Warschau.«
»Die Hauptstadt aller Putzfrauen, Autodiebe und Altenpflegerinnen«, sagte Kokina.
Er rieb sich mit der Serviette über die Lippen und begann dröhnend zu lachen. Für diese Lache konnte man ihm einiges verzeihen.
Anton ignorierte die Bemerkung und blieb ganz Jenna zugewandt.
»Das hier ist nur ein Job für mich, um ein bisschen Geld zu machen, eigentlich schreibe ich fürs Theater. Stücke, die niemand aufführt, darin bin ich sehr erfolgreich.«
Dann, zu Kokina: »Russen haben wir in Longyearbyen auch eine Menge, offen gesagt, sind die bei uns nicht besonders beliebt.«
»Das wundert mich«, sagte Kokina. »Wir haben eben ein paar von denen kennengelernt. Ich fand sie überaus charmant.«
Er betrachtete den schmächtigen Polen, der in seiner eng geschnürten Schürze noch schmaler wirkte. »Aber wir spielen alle mit den gleichen Karten.«
»Ihr Russen mischt nur anders«, sagte Anton und zwinkerte ihm zu.
Als der Name Anton gefallen war, hatte sich Vollmers Miene verfinstert, nun beugte er sich weit über den Tresen und starrte den Polen an.
»Du weißt, was ich dich gleich fragen werde«, sagte er.
Anton polierte ein Weinglas, hielt inne.
»Ist was nicht in Ordnung?«
»Ich würde gern wissen, Anton, was dein Name im Handy meiner Frau zu suchen hat. Neulich will ich mit ihrem Handy telefonieren, weil mein Akku leer ist, und auf ihrem Display taucht dein Name auf. Eine Nachricht von Anton. ›Wann kommst du zurück, Bungee-Girl?‹, steht da. ›Hast du Lust auf eine Bungee-Nummer?‹ Was soll ich davon halten? Ich sehe mir die gespeicherten Namen an, und wen finde ich da? Anton Zielinski.«
»Du spionierst deiner Frau nach?«, fragte Jenna.
»Ich rede mit dem Kerl da, halt du dich bitte raus.«
Ruhe und Lächeln, wenn es im Innern stürmt – kein Problem für einen gewieften Barmann, eine Freude für jeden Chef. Mit solchem Personal kann man sich zurücklehnen, schon mal laufen lassen.
»Ich hatte keine Ahnung, dass Carolin verheiratet ist.«
»Habt ihr was zusammen?«
»Fragen Sie Ihre Frau.«
»Fickst du sie?« Vollmer wieder.
»Davon hab ich nichts gesagt.«
Vollmers Körper spannte sich, er sprang auf die Füße und wollte über die Theke nach Anton greifen, aber Anton trat einen Schritt zurück.
»Wenn mein Boss sieht, dass ich hier rumstehe und quatsche, werde ich gefeuert«, sagte er eine Spur zu ruhig.
Packer hielt Vollmer fest und setzte ihn wieder auf seinen Hocker.
»Reiß dich zusammen! Wenn du so weitermachst, schicke ich dich nach England, den Buckingham Palace tapezieren.«
»Gefällt es dir etwa, dass Carolin einen Liebhaber hat?«, wollte Vollmer wissen. »Gefällt es dir etwa, dass dieser Typ Carolin bumst? Sag was, ich will was hören von dir, Phong.«
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Vollmer wusste, wie er Packer treffen konnte. Also redete er weiter.
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»Los doch, Phong, lass mal hören. Was hast du dazu zu sagen?«, fragte Vollmer.
Es gibt eine Sorte Menschen, die nicht reden kann, ohne einem dabei ihren Mund ins Gesicht zu schieben. Packer wischte sich einen Spuckespritzer von der Wange. Er spürte die alten Wunden. Der Schmerz war vergangen, aber das Gefühl, was hätte sein können, hatte ihn nie verlassen. Er schob die Gedanken in seinem Kopf beiseite und konzentrierte sich auf den Polen.
»Können wir uns irgendwo unter vier Augen unterhalten?«, fragte er Zielinski. »Wir sind hergekommen, um Carolin zu finden. Wollen Sie uns dabei helfen?«
»Um zwei Uhr bin ich hier fertig.«
»Gut.«
Packer ließ Vollmer die Rechnung unterschreiben und zog ihn mit sich.
Auf dem Weg durch die Lobby schlug Vollmers Ärger in eine wütende Tirade um.
»Dieser Polack vögelt meine Frau! Kann mir jemand sagen, was sie an dem Kerl findet? Ihr habt ihn gesehen. Mit diesem Hemd steigt sie ins Bett? Herrgott noch mal!«
Kokina versperrte ihm den Weg.
»Halt den Mund, du machst dich lächerlich. Willst du, dass hier jeder hört, dass sie dir Hörner aufgesetzt hat? Geh ein paar Schritte vor oder hinter uns, mir egal. Mit so einem wie dir will ich jedenfalls nicht zusammen gesehen werden.«
30
Das letzte Mal war Jenna vor vier Jahren in Longyearbyen gewesen, seither hatte sich in der Stadt wenig verändert.
Sie und Packer gingen über einen festgetrampelten Schneepfad neben dem Hotel eine abschüssige Schneewiese zur Universität hinunter.
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