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Kalt kommt der Tod (German Edition)

Kalt kommt der Tod (German Edition)

Titel: Kalt kommt der Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Sprado
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gleichmütige Fassade.
    »Wenn ein Bär den Arm durchgebissen hätte, wären Speiche und Elle gesplittert und das Fleisch würde in Fetzen hängen. Aber so …«
    »Also hat jemand nachgeholfen«, meinte Jenna. »Ist es das, was du mir sagen willst?«
    Auf dem Arm waren deutliche Bissspuren zu erkennen.
    Packer sagte, er glaube, der Bär habe den Arm in seinem Maul hergetragen und achtlos fallen lassen, als er durch irgendetwas gestört wurde. Oder einfach satt war. Eine andere Erklärung habe er nicht.
    Sie betrachteten den Orden: ein fünfzackiger goldglänzender Stern, der mit weißen, blauen und roten Stoffstreifen an zwei schmalen Spangen befestigt war. Auf der Rückseite waren kyrillische Reliefbuchstaben eingraviert, und auf dem obersten Zacken stand die Zahl 27 .
    »Phaleristik ist zwar nicht mein Spezialgebiet«, sagte Jenna und nahm Packer den Orden aus der Hand, »aber das sind, wie du zweifellos erkannt hast, die Nationalfarben von Russland: Weiß, Blau und Rot. Wenn es sich um eine hohe Auszeichnung handelt, können wir möglicherweise herauskriegen, wem er gehört, denn bei seltenen Orden dürfte die Namensliste nicht sehr lang sein, vielleicht kommen wir so auf eine Idee. Bei Massenware für den einfachen Soldaten, der in Afghanistan oder in Tschetschenien gekämpft und sich den Orden durch besondere Leistungen verdient hat, wäre das aussichtslos. Von denen gibt es Tausende.«
    »Was sollten Russen mit Carolin zu tun haben?«, fragte Packer. »Oder mit einer der beiden anderen Frauen? Das ergibt doch keinen Sinn. Tut es doch nicht, oder?«
    »Möglicherweise doch, denn auf Spitzbergen gibt es mehr Russen als Lichter auf dem Times Square. Barentsburg ist gewissermaßen ihr Ghetto, ein trotziger Vorposten von Moskau. Die ganze Stadt gehört praktisch Putin. Früher haben sie dort Kohle im großen Stil abgebaut, aber vor ein paar Jahren wurde der Laden dichtgemacht. Heute halten bloß noch dreihundert Mann die Stellung, höchstens vierhundert. Frauen natürlich auch. In den Neunzigern waren es fünfmal so viele, sie förderten Kohle für den Weltmarkt aus der alten Grube. Danach ging es rapide bergab. Bei einem Grubenbrand starben 2008 zwei Arbeiter, seitdem wird nur noch für den Eigenbedarf gefördert, um das örtliche Kraftwerk zu speisen. Die Leute, die heute noch in Barentsburg wohnen, stehen auf der Gehaltsliste einer Kohlegesellschaft und bewachen die Stadt, achten darauf, dass nichts wegkommt, führen Touristen herum, die in den Sommermonaten mit den Kreuzfahrtschiffen anlegen und für ein paar Stunden an Land kommen. Was es da zu besichtigen gibt? Da ist rein gar nichts zu sehen, was einen Landausflug lohnt, es sei denn, jemand interessiert sich für abgewohnte Ruinen des Sozialismus.«
    »Kann da jeder hin?«
    »Wer will das schon.«
    49
    Packer verstaute den Arm in der Satteltasche seines Skidoos. Den Orden ließ er in seiner Jackentasche verschwinden.
    Als er den Motor startete, fiel der erste Schuss. Durch ihre Gesichtsmasken und Helme hörten sie den dumpfen Knall und warfen die Köpfe herum.
    Die zweite, besser gezielte Kugel prallte gegen einen Felsen neben ihren Skidoos und heulte ins Leere.
    Zwei Scheinwerfer rasten auf sie zu, die Lichter wurden schnell größer.
    Packers Skidoo schoss mit einem Sprung davon, schlitterte beim ersten Bodenkontakt, drohte umzukippen, fing sich, fand in die Spur zurück und raste weiter.
    Kurz hintereinander knallten drei weitere Schüsse.
    Packer spürte, wie Jenna gegen seinen Rücken sackte und ihre Arme, die eben noch um seinen Bauch lagen, sich ruckartig lockerten.
    Der bleiche Mond schien zwischen Wolkenfetzen auf die Ebene, die sich vor ihnen auftat, und nirgendwo ein Platz in Sicht, wo sie in Deckung gehen konnten.
    Die Skidoos nahmen sie in die Zange. An den Schattenrissen erkannte Packer, dass jeweils zwei Personen auf jedem Skidoo saßen, demnach hatten sie es mit vier Gegnern zu tun.
    Und vor sich nur die Ebene, eine z wischen Nacht und Tag liegende raue und weite Landschaft, in der es zu dieser Jahreszeit jedoch keinen Tag geben würde.
    Sie saßen böse in der Klemme.
    Plötzlich sah Packer eine riesige Schneedüne, und er dachte, was soll’s, wir sind sowieso im Arsch, und fuhr direkt darauf zu. Die beiden Skidoos holten auf, weil er das Tempo drosseln und Schlangenlinien fahren musste, damit sie kein leichtes Ziel für die Gewehre ihrer Verfolger abgaben. Mit seiner linken Hand presste er Jennas Arm gegen seinen Körper, so dass sie nicht

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