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Kalt kommt der Tod (German Edition)

Kalt kommt der Tod (German Edition)

Titel: Kalt kommt der Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Sprado
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interessiert sich schon lange für Spitzbergen. Als möglichen Stützpunkt für ihre internationalen Geschäfte. Zwei der größten Organisationen, die Solnzevskaja und die Ismajlowskaja, haben hervorragende Verbindungen in die höchsten Wirtschaftskreise, zu renommierten Banken, außerdem genießen sie die Rückendeckung des Kremls.«
    »Solnzevskaja und Ismajlowskaja sind nicht mit dem Taschenrechner unterwegs«, bestätigte Kokina und betrachtete ein Foto an der Wand. Es zeigte eine Handvoll rußgesichtiger Männer in Bergmannskluft vor dem ehemaligen Grubeneingang. Wahrscheinlich kamen sie von einer Schicht aus dem Bauch der Erde. Und wahrscheinlich war Boris Sokolew einer von ihnen.
    »In Russland«, fuhr Sokolew fort, »kennt jeder die Namen der grauen Eminenzen, der Anführer und Drahtzieher. Sie sind eine Mischung aus Tolstoi und Schwarzenegger und residieren in den teuersten Villen von Nizza und Paris.«
    Erneut begann das Haus zu zittern, ein weiterer Lastwagen fuhr vorbei.
    »Ihnen ist die Grube seit vielen Jahren vertraut«, sagte Kokina. »Was würden Sie damit anstellen, wenn Sie Ihnen gehörte?«
    »Das Scheißding voll Wasser laufen lassen.«
    »Denken Sie nach.«
    Sokolew angelte sich die Wodkaflasche und genehmigte sich einen kräftigenden Schluck.
    »In den vergangenen Monaten wurden das Hafenbecken ausgebaggert und der Eingang zur Grube verbreitert, also würde ich vermutlich etwas Großes reinstellen. Was? Woher soll ich das wissen.«
    Packer schaute hoch.
    »Gibt es im Haus noch ein Stockwerk?«
    »Den Dachboden.«
    »Wie komm ich da rauf?«
    »Was hast du vor?«, fragte Kokina.
    »Ich will mitfahren, auf einem der Trucks.«
    »Am Ende des Ganges ist eine Zugtreppe«, sagte Sokolew.
    »Ich muss aufs Dach«, sagte Packer.
    »Da oben sind zwei Kippfenster, eins liegt zur Straße«, erklärte ihm Sokolew. Er verschränkte die mageren Arme vor seiner Brust und sah so hilflos aus in seinen zerwühlten weißen Laken, dass er Packer einen Moment leidtat.
    »Auf einem der Container?«, hakte Kokina nach, nur um ganz sicher zu sein.
    »Unsere Spuren führen allesamt ins Nichts oder bestenfalls in eine Sackgasse«, sagte Packer. »Jetzt ist Initiative gefragt.«
    »Ohne mich?«
    »Ja.«
    »Nein.«
    »Einer von uns muss sich zurückhalten, falls dem anderen was zustößt.«
    »Und der eine bin ich«, meinte Kokina.
    »Wenn ich innerhalb der nächsten zwei Stunden nicht wieder da bin, verschwindest du und informierst den Sysselmann. Mach es groß, sag ihm, was du gesehen hast, sag ihm, dass er mit Verstärkung anrücken soll.«
    »Wo treffen wir uns wieder?«, wollte Kokina wissen.
    »Hier.«
    Kokina sah sich in dem trostlosen Zimmer mit den blasig grün gestrichenen Wänden um und murrte: »Natürlich.«
    73
    In einer Ecke des Flurs fand Packer die Hakenstange. Er klinkte sie in die Öse der Dachbodenluke, entriegelte den Schließmechanismus und zog die Treppe herunter.
    Sofort strömte eiskalte Luft ins Haus.
    Er stieg die schmalen Stufen hoch und fand sich oben zwischen lauter Gerümpel wieder: einem zerlegten eisernen Bettgestell, zwei braunen Lederkoffern mit Riemen, einem mintgrünen Ohrensessel, dessen Rückenlehne aufgerissen war, einem Kronleuchter ohne Glühbirnen. Und in einem Regal stand eine ganze Armee Gartenzwerge stramm.
    Gartenzwerge? Auf Spitzbergen?
    Auf dem Fußboden stapelten sich drei mit einer dicken Staubschicht bedeckte Matratzen, Packer stieg über sie hinweg, rückte den Ohrensessel unter das Fenster zur Straße und begann, den seit Jahren unbenutzten Kipphebel zu bearbeiten. Er musste seine ganze Kraft aufbieten, um den angerosteten Hebel zu öffnen. Er stemmte das Fenster auf, kletterte hinaus und war heilfroh, dass kein Wind wehte, denn auch die unbewegte Luft war mörderisch kalt.
    Vom First fiel das Dach in einer sanften Neigung zu beiden Seiten ab. Auf den Schuhsohlen schlitterte er hinunter bis zur Kante. Der Blick über die Stadt war nicht gerade atemberaubend, die Straßen und Häuser lagen in stumpfer Düsterkeit da, nur der Hafen und die Gegend oben am Berg bei der Grube waren erleuchtet.
    In gespannter Langeweile hockte er da und wartete auf den Hauptgewinn, summte etwas ohne Melodie und beobachtete die Straße. Fünf Minuten später entdeckte er von seinem Hochsitz aus einen Lkw, der vom Hafen kommend um die Kurve bog.
    Seine sämtlichen Muskeln waren in Alarmbereitschaft. Der Fahrer fuhr dicht an den Häusern entlang, da es in der engen Straße keine Fußwege gab.

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