Kalt kommt der Tod (German Edition)
mal darüber nach, wie du es erleichtern könntest. Ein paar Informationen für uns würden dir gut anstehen.«
Tarassow schlürfte seinen Tee und dachte über seine Situation und seine Zukunft nach, schließlich sagte er: »Das Schiff, auf dem sich die Frau befindet, ist nicht die Carte Blanche von Wladimir Choma. Sie fährt auf der Riesenberg Experience I mit. Ihr Mann hat sie da raufschaffen lassen. Choma wollte sie wie vereinbart freilassen, sobald das Schiff seine Ladung gelöscht hat, aber Vollmer bestand darauf, sie weiter als Geisel festzuhalten.«
»Ist diese Auskunft dein Lohn für eure Rettung?«, fragte Kokina.
»Wenn du das so sehen willst, meinetwegen. Aber diesmal stimmt die Geschichte.«
»Dann weißt du bestimmt auch, wo die Experience hinfährt«, hakte Packer nach.
»In Tromsö nimmt sie Maschinenteile für einen amerikanischen Autobauer an Bord und fährt dann durch den Sankt-Lorenz-Strom und die Großen Seen runter nach Detroit. In Tromsö will Vollmer seine Frau von Bord holen. Und es so aussehen lassen, als hätte er persönlich dafür gesorgt, dass sie freikommt.«
»Ein geschicktes Manöver«, meinte Packer.
»Deswegen gab es Ärger zwischen ihm und Choma. Auf seine Weise ist Choma nämlich ein Ehrenmann.«
»Ein Gandhi der Scheinheiligen«, sagte Kokina.
»Was wird aus uns?«, wollte Tarassow wissen.
»Sobald ich mir darüber im Klaren bin«, antwortete Packer, »erfährst du’s als Erster.«
Am Horizont tauchten die Lichter von Longyearbyen auf.
88
Ingrid Yitterdal brachte eine Handvoll Polizisten mit zum Anleger, um Tarassow und seine Männer in Empfang zu nehmen. Die Polizeichefin von Spitzbergen schaute zu, wie sie in zwei Fahrzeuge verstaut und abtransportiert wurden. Die Wagen fuhren direkt zum Gefängnis, wo die Männer vernommen werden sollten.
Allerdings war das Wort Gefängnis eindeutig übertrieben für das, was sie erwartete, denn es bestand lediglich aus einer Ausnüchterungszelle im Tiefgeschoss des Verwaltungsgebäudes, in dem der Sysselmann residierte.
»Ich kann es immer noch nicht glauben«, sagte die Polizeichefin zu Kristian Selboskar. »Als du mich angefunkt hast, dachte ich, es ist der 1. April und ich hätte das bloß vergessen.«
»Ist dein Chef in seinem Büro?«, fragte er.
»Ich bin mit zwei Leuten gleich zu ihm rein, aber er war nicht da, bei seiner Frau zu Hause war er auch nicht. Sie sagte, er wäre in Tromsö, auf einer Konferenz von Greenpeace. Ich habe bei Scandinavian Airlines angerufen. Auf der Maschine um 14.45 Uhr waren Kurt Vollmer, Wladimir Choma und sein Sohn Dimitrij, aber kein Ingar Elmgreen.«
»Bis dahin«, sagte Packer, »ergibt alles einen Sinn. Drei von ihnen ergreifen die Flucht. Was haben sie vor?«
»Vermutlich denken sie, ihr seid tot«, sagte Ingrid, »und glauben, sie haben alles unter Kontrolle.«
»Was geschieht mit Viktor Tarassow?«, fragte Kokina.
»Das Außenministerium in Oslo wird sich um ihn kümmern. Morgen früh schicken sie ein paar Beamte her, die wissen, wie man mit so einer Sache umgeht, und das bedeutet für alle erst mal jede Menge Papierkram. Immerhin haben wir es mit einem internationalen Zwischenfall und seinen weitreichenden Folgen zu tun, da ist Fingerspitzengefühl gefragt. Russland wird alles unternehmen, um die Aktion herunterzuspielen, während Norwegen bestrebt sein muss, so wenig wie möglich davon an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Muss ja nicht gleich die ganze Welt erfahren, dass der norwegische Geheimdienst versagt hat, eine wie auch immer geartete verdeckte Invasion zu verhindern. Die Amerikaner – die sehen und hören ja angeblich alles – haben sich auch nicht mit Ruhm bekleckert. Wollt ihr meine persönliche Meinung hören? Tarassow und seine Männer werden in Oslo mordsmäßig in die Zange genommen. Aber in ein paar Monaten, wenn Gras über die Sache gewachsen ist, schickt man sie in einem Gegengeschäft mit den Russen nach Hause. Beide Seiten werden ein hohes Interesse daran haben, die Geschichte unter der Decke zu halten.«
»Konntest du in Erfahrung bringen, wann die Riesenberg Experience I in Tromsö eintrifft?«, fragte Packer.
»Der Hafenmeisterei zufolge wird ihre Ankunft für heute Abend neunzehn Uhr erwartet.«
Kristian Selboskar stand mit Magnus Gahr ein Stück abseits, sie tranken abwechselnd Whisky aus einem Flachmann und warteten.
Ingrid ging zu ihnen.
»Kristian, dein Schiff muss ich vorläufig beschlagnahmen. Die Kriminaltechniker aus Tromsö werden es
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