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Kalt

Kalt

Titel: Kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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setzte, und seine komplizierten Ernährungsregeln. All dies und mehr wies auf ein verzweifeltes Bedürfnis hin, sich überall dort, wo es überhaupt möglich war, ein Gefühl der Kontrolle zu verschaffen.
    Sheps Schweigen dauerte an, und die Lippen hatten aufgehört, sich zu bewegen. Zwar wich die Angst nicht aus seinem Gesicht, aber sie löste sich in weichere Linien auf. Vielleicht ging Sheps akuter Schrecken ja langsam in eine chronische Beklemmung über.
    Jilly ließ sich wieder in die Kissen sinken, dankbar, dass sie nicht in einer Falle gelandet war, die so unentrinnbar wie die von Shep war. Wenn der Wurm in ihr mit seiner Arbeit allerdings fertig war, dann gab es womöglich keinen großen Unterschied mehr zwischen Shep und ihr.
    Kurze Zeit später kam Dylan aus dem Bad. Er hatte sich die Schuhe ausgezogen und stellte sie nun neben das Bett, das er mit seinem Bruder teilte.
    » Alles in Ordnung? «, fragte er Jilly.
    » Ja. Ich bin bloß … wie ausgebrannt. «
    » Wem sagst du das! «
    In voller Montur stieg Dylan ins Bett, auf jeden Notfall vorbereitet. Dann lag er da und blickte an die Decke, ohne die Nachttischlampe auszuschalten.
    » Es tut mir Leid «, sagte er nach längerem Schweigen.
    Jilly wandte den Kopf, um zu ihm hinzuschauen. » Was denn? «
    » Seit wir uns im Motel begegnet sind, hab ich womöglich immer nur das Falsche getan. «
    » Zum Beispiel? «
    » Vielleicht hätten wir es doch riskieren sollen, zur Polizei zu gehen. Du hattest Recht, wir können nicht immer und ewig davonlaufen. Abgesehen davon, habe ich zwar die Verpflichtung, für Shep mitzudenken, aber kein Recht, dich mit uns ins Verderben zu reißen. «
    » Da kommt O ’ Conner der Rechtschaffene, der Mahlstrom aus Verantwortungsgefühl. So grüblerisch wie Batman. Du solltest dich bei DC Comics melden. «
    » Ich meine es ernst. «
    » Ich weiß. Es ist ja auch ganz reizend. «
    Dylan lächelte, ohne den Blick von der Decke abzuwenden.
    » Heute Nacht habe ich allerhand zu dir gesagt, was ich lieber nicht gesagt hätte. «
    » Du wurdest provoziert. Ich hab dich auf die Palme getrieben und außerdem viel Schlimmeres gesagt. Na ja … die Vorstellung, von jemand abhängig zu sein, macht mich einfach wahnsinnig. Besonders … wenn dieser Jemand männlich ist. Deshalb sehe ich in so einer Lage einfach rot. «
    » Wieso, wenn dieser Jemand männlich ist? «
    Jilly wandte sich ab und schaute wieder an die Decke. » Sagen wir mal, dein Vater macht sich aus dem Staub, wenn du gerade drei bist. «
    Da sie verstummte, schien Dylan sie zum Weiterreden ermuntern zu wollen. » Gut, sagen wir das mal. «
    » Ja. Und sagen wir mal, deine Mutter ist wunderschön, ein richtiger Engel, jemand, der immer für dich da ist und dem eigentlich nie etwas Böses zustoßen sollte. Aber bevor dein Vater abhaut, verprügelt er sie so brutal, dass sie dabei ein Auge verliert und den Rest ihres Lebens an zwei Krücken gehen muss. «
    So erschöpft und schlafbedürftig Dylan auch war, er hatte den Anstand, ihr genügend Zeit zu lassen, die Geschichte in ihrem Rhythmus zu erzählen.
    Irgendwann sprach sie dann weiter. » Jetzt seid ihr ein Sozialfall und dem Wohlwollen arroganter Beamter ausgeliefert. Schlimm genug. Aber jedes Jahr kommt er für ein, zwei Tage zu Besuch. «
    » Was war mit der Polizei? «
    » Meine Mutter hatte Angst, sie zu rufen, wenn er aufgetaucht ist. Der Bastard hat gesagt, wenn sie ihn anzeigt, wäre er auf Kaution doch bald wieder frei und würde wiederkommen, um ihr auch noch das andere Auge auszuschlagen. Und eins von meinen. Das hätte er auch glatt getan. «
    » Aber wenn er doch abgehauen ist, wieso ist er dann überhaupt zurückgekommen? «
    » Um uns Angst zu machen. Uns zu ducken. Außerdem wollte er was von der Sozialhilfe abhaben. Wir haben immer was für ihn sparen können, weil wir im Pfarrhaus oft kostenlos gegessen haben. Unsere Kleider haben wir uns auch meist umsonst im Secondhandladen der Kirche geholt. Deshalb hat Daddy immer seinen Anteil bekommen. «
    Das Bild ihres Vaters kam in ihr hoch. Er stand mit seinem gefährlichen Lächeln auf dem Gesicht an der Wohnungstür. Und seine Stimme: Ich komme wegen der Augenversicherung, meine Süße. Ihr habt die Versicherungsprämie doch, oder?
    » Das sollte reichen «, sagte Jilly. » Schließlich will ich hier nicht auf die Tränendrüse drücken. Ich wollte dir bloß klar machen, dass es nicht so ist, als hätte ich ein Problem mit dir. Es geht nur darum … von jemand

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