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Kalt

Kalt

Titel: Kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Klimaanlage war zuerst störend gewesen, reduzierte sich jedoch bald zu einem einschläfernden Rauschen. Es würde das Knallen von Autotüren und die Stimmen von Gästen überdecken, die womöglich schon in der Morgendämmerung aufbrachen.
    Außerdem würde die Klimaanlage dafür sorgen, dass sie weder das charakteristische Motorgeräusch eines getunten Chevrolet Suburban hören würden noch das verstohlene Flüstern von Mördern, die sich bereitmachten, das Zimmer zu stürmen.
    Eine Weile versuchte Jilly, sich wegen der prekären Lage selbst ein wenig Angst zu machen, aber wenn sie rational überlegte, fühlte sie sich an diesem Ort vorläufig sicher. Physisch sicher jedenfalls.
    Wenn sie jedoch nicht von Sorgen um ihre momentane Sicherheit oder gar einem akuten Angstgefühl abgelenkt wurde, gelang es ihr nicht, eine gewisse Mutlosigkeit abzuschütteln, die der Verzweiflung nahe kam. Dylan meinte, sie hätten eine Chance, Frankensteins Identität aufzudecken und etwas über die Folgen der Injektion zu erfahren, aber diese Zuversicht teilte sie nicht.
    Zum ersten Mal in vielen Jahren hatte sie ihr Leben nicht mehr unter Kontrolle. Sie brauchte Kontrolle, sonst fühlte sie sich so, wie sie sich schon in ihrer Kindheit meist gefühlt hatte: schwach, hilflos, erbarmungslosen Kräften ausgeliefert. Sie hasste es, verwundbar zu sein. Sich bewusst als Opfer zu empfinden oder gar Zuflucht zu diesem Gefühl zu nehmen, war in ihren Augen eine Todsünde, aber offenbar hatte sie jetzt gar keine andere Wahl.
    Irgendein psychotroper Hokuspokus arbeitete in ihrem Gehirn, er arbeitete an ihrem Gehirn, und sie wurde von Grauen gepackt, wenn sie es wagte, darüber nachzudenken. Sie hatte nie Drogen genommen oder sich betrunken, weil ihr Verstand ihr lieb und teuer war und weil sie keine nennenswerte Anzahl Gehirnzellen verlieren wollte. In all den Jahren, in denen sie sonst nichts besessen hatte, waren ihr ihre Intelligenz, ihr Witz und ihre reiche Phantasie geblieben. Jillys Verstand hatte eine beachtliche Waffe gegen die Welt dargestellt und ihr Zuflucht vor Grausamkeit und Not geboten. Wenn sie irgendwann den Musculus glutaeus megamax bekam, der die Frauen in ihrer Familie so plagte, wenn ihr Hintern so fett wurde, dass sie auf einem Tieflader herumkutschiert werden musste, dann blieben ihr immer noch ihr Verstand und die Genugtuung ihres Innenlebens. Nun jedoch kroch ihr ein Wurm durchs Gehirn, vielleicht kein Wurm im wörtlichen Sinn, aber ein Wurm der Veränderung; und sie wusste nicht, was von ihr noch übrig blieb und wer sie war, wenn dieser Wurm damit fertig war, sie umzumodeln.
    Als sie Dylan geholfen hatte, das Killerpärchen Kenny und Becky zur Strecke zu bringen, war sie in Hochstimmung gewesen, aber jetzt konnte Jilly das schöne Gefühl der Kraft, das sie vorübergehend getragen hatte, nicht wiederbeleben. Erschrocken über die Gewalt, die sie in ihren Visionen vorhersah, konnte sie nicht recht glauben, dass ihre hellseherische Gabe einmal dazu dienen würde, andere zu retten. Auch dass sie ihr Schicksal dadurch irgendwann besser in die Hand bekam als je zuvor, hielt sie für wenig wahrscheinlich.
    Jackson die Negative. Zu anderen Leuten hatte sie nie viel Vertrauen gehabt, zu sich selbst hingegen schon, und zwar seit langer Zeit. Das hatte Dylan richtig gesehen. Nun aber ließ ihr Selbstvertrauen sie allmählich doch im Stich.
    » Hier, dort «, flüsterte Shepherd in seinem Bett.
    » Was ist denn, Shep? «
    » Hier, dort. «
    Jilly stützte sich auf einen Ellbogen.
    Shep lag mit geschlossenen Augen auf dem Rücken und hatte die Stirn in kummervolle Falten gelegt.
    » Shep, geht ’ s dir nicht gut? «
    » Shep hat Angst «, flüsterte er.
    » Hab keine Angst! «
    » Shep hat Angst. «
    » Wir sind hier jetzt vorläufig sicher «, sagte Jilly, um ihn zu beruhigen. » Keiner kann dir was antun. «
    Seine Lippen bewegten sich jetzt wie beim Sprechen, ohne dass ein einziger Ton zu hören war.
    Shepherd war nicht so groß wie sein Bruder, aber größer als Jilly, und er war ein erwachsener Mann. Trotzdem sah er unter dem Laken irgendwie klein aus. Mit seinem zerzausten Haar und seinem zu einer angstvollen Grimasse zusammengekniffenen Mund kam er Jilly kindlich vor.
    Sie spürte einen Stich, als ihr klar wurde, dass Shepherd zwanzig Jahre verbracht hatte, ohne sein Leben in irgendeine r W eise in der Hand zu haben. Schlimmer noch waren sein Verlangen nach Routine, die engen Grenzen, die er sich bezüglich seiner Kleidung

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