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Kalt

Kalt

Titel: Kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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aber da waren nur Kabinentüren, wie es sich gehörte. Als ich dann wieder in den Spiegel geschaut hab … waren die Beichtstühle aber immer noch da. «
    Jilly hatte sich dann die Hände abgespült, ohne den Blick vom Spiegel abwenden zu können, und beobachtet, wie sich langsam die Tür eines der Beichtstühle geöffnet hatte. Ein Priester war herausgekommen, aber nicht lächelnd und mit einem Gebetbuch in der Hand, sondern als blutgetränkte Leiche, die zu Boden gesunken war.
    » Ich bin aus dem Klo geflüchtet, als ob der Teufel hinter mir her wäre. « Jilly schauderte noch bei der Erinnerung. » Aber ich kann das einfach nicht abschalten, Dylan. Diese Visionen überkommen mich immer wieder, und sie haben irgendeine Bedeutung. «
    » Also doch Visionen «, sagte Dylan, » und keine Fata Morganen? «
    » Das hab ich bisher geleugnet «, sagte Jilly. Sie schob den Zeigefinger vorsichtig unter den Mull des Pflasters, das die Einstichstelle an ihrem Arm bedeckte. Behutsam betastete sie die leicht geschwollene Wunde. » Aber jetzt mache ich mir nichts mehr vor. Es sind Visionen, nichts anderes. Vorahnungen. «
    Der erste Ort, den sie nach dreißig Meilen passierten, hieß Seneca. Achtundzwanzig Meilen später kam Carrizo. Beides waren nichts als Käffer. Sie drangen immer tiefer in eines der vielen Gebiete im amerikanischen Südwesten vor, die einzeln und gemeinsam als Große Einsamkeit bezeichnet wurden.
    » Was mich betrifft «, sagte Dylan, » stelle ich offenbar Verbindungen zwischen Menschen und Orten her. Dabei geht es um Dinge, die in der Vergangenheit geschehen sind oder die gerade stattfinden. Du dagegen hast offenbar den Eindruck, ein Ereignis in der Zukunft zu sehen. «
    » Genau. Ich sehe einen Vorfall irgendwo in einer Kirche. Er wird sich mit Sicherheit ereignen, und zwar bald, glaube ich. Mord. Massenmord. Und irgendwie … werden wir da sein, wenn das geschieht. «
    » Du siehst uns dort? In deinen Visionen? «
    » Nein. Aber wieso würden mich sonst immer dieselben Bilder überkommen – die Vögel, die Kirche, der ganze Kram? Ich sehe ja kein Eisenbahnunglück in Japan, keinen Flugzeugabsturz in Südamerika, keine Flutwelle auf Tahiti. Ich sehe etwas in meiner Zukunft, in unserer Zukunft. «
    » Dann sollten wir uns lieber von allen Kirchen fern halten «, sagte Dylan.
    » Irgendwie … hab ich den Eindruck, dass die Kirche zu uns kommen wird. Ich glaube, es gibt keine Möglichkeit, ihr auszuweichen. «
    Nach einem raschen Monduntergang erhellte nur noch Sternenlicht die Nacht, und die Große Einsamkeit wurde noch größer und einsamer, als sie es bereits gewesen war.
    *
    Dylan steuerte den schweren Wagen zwar nicht wie einen flügellosen Jet, aber er trat kräftig aufs Gaspedal. Eine Strecke, für die man sonst mehr als drei Stunden gerechnet hätte, bewältigte er in zweieinhalb.
    Für einen Ort mit fünftausend Einwohnern gab es in Holbrook ungewöhnlich viele Motels. Sie boten die einzige günstig gelegene Ausgangsbasis für Touristen, die den Nationalpark Petrified Forest oder die verschiedenen indianischen Sehenswürdigkeiten in den nahen Reservaten der Hopi und Navaho besuchen wollten.
    Keines der Quartiere konnte fünf Sterne aufweisen, aber auf Komfort konnte Dylan gut verzichten. Er brauchte bloß ein ruhiges Zimmer, in dem sich die Kakerlaken vornehm zurückhielten.
    Dylan wählte das Motel, das am weitesten von Tankstellen und anderen Betrieben entfernt lag, wo es morgens wahrscheinlich laut wurde. An der Rezeption verwendete er keine Kreditkarte, sondern legte dem schläfrigen Nachtportier einen Vorschuss in bar auf die Theke.
    Der Portier verlangte seinen Führerschein. Den zeigte Dylan zwar nicht gern vor, aber es hätte Verdacht erregt, sich zu weigern. Er hatte bereits eine Autonummer aus Arizona angegeben, und zwar nicht die auf den Schildern, die er gestohlen hatte. Glücklicherweise interessierte sich der verschlafene Mann nicht für die augenfällige Diskrepanz zwischen einem kalifornischen Führerschein und einer Nummer aus Arizona.
    Jilly wollte keine nebeneinander liegenden Zimmer. Nach allem, was geschehen war, hätte sie sich selbst dann isoliert gefühlt, wenn die Verbindungstür offen geblieben wäre.
    Sie nahmen ein großes Zimmer mit zwei Doppelbetten, eines für Dylan und Shep, das andere für Jilly.
    Das übliche Dekor aus grellen, nicht zusammenpassenden Mustern, das Flecken und Verschleiß verbergen sollte, verursachte Dylan eine leichte Übelkeit. Außerdem war er

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