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Kalt

Kalt

Titel: Kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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raschen, hektischen Rhythmus, der Jilly vom Beginn ihrer Bühnenkarriere her vertraut war. Damals hatte ihr Programm manchmal nicht eingeschlagen, sie war schlichtweg durchgefallen und hatte doch noch minutenlang im Scheinwerferlicht vor einem feindseligen Publikum stehen müssen. Nun spürte sie dieselbe verräterische Klammheit auf der Stirn, dasselbe feuchte Frösteln im Nacken, im Kreuz und auf den Handflächen – eine eisige Feuchtigkeit, die nur eine n N amen hatte, der auf den mondänen Bühnen am Broadway ebenso gefürchtet war wie auf den erbärmlichen Brettern provinzieller Tingeltangel: Bühnenangst.
    Der Unterschied lag darin, dass der unruhige Herzrhythmus und der kalte Schweiß diesmal nicht bloß die Folgen eines zerbröselnden Comedyprogramms waren. Was sie hervorrief, war die schreckliche Ahnung, Jillys ganzes Leben könnte aus den Fugen geraten. Wenn das geschah, dann konnte man mit Fug und Recht von der ultimativen Bühnenangst sprechen.
    Natürlich, vielleicht war sie auch nur melodramatisch. Der Neigung dazu hatte man sie schon des Öfteren beschuldigt. Aber da saß sie nun unleugbar in einer öden Wüste, weit weg von allen, die sie liebten, und dafür in Begleitung eines entschieden seltsamen Paars von Fremden. Es war nicht unwahrscheinlich, dass sämtliche Behörden, an die sie sich theoretisch wenden konnte, unter einer Decke mit den Männern steckten, die ihren geliebten Cadillac in die Luft gejagt hatten. Schlimmer noch, mit jedem Herzschlag trug ihr Blut einen unbekannten Bazillus immer tiefer in ihr Gewebe.
    Bei näherer Betrachtung wurde ihr klar, dass das, was gerade geschah, jedes Melodrama überbot, das je den Weg auf eine Bühne gefunden hatte – an Hektik, an übertriebenen Gefühlen und an mangelndem Respekt vor dem Gesetz von Ursache und Wirkung. » Melodramatisch, dass ich nicht lache «, murmelte sie vor sich hin.
    Durch die offene Hintertür des Wagens hatte Jilly einen guten Blick auf Dylan O ’ Conner, der neben Shep saß und auf ihn einredete – unablässig und ernst. Das Dröhnen und Pfeifen des vorüberrasenden Verkehrs übertönte alles, was er sagte, und nach Shepherds in die weite Ferne gerichtetem Blick zu urteilen, hätte Dylan genauso gut allein dasitzen und gegen eine Wand reden können.
    Zuerst hatte er die Hände seines jüngeren Bruders festgehalten, um ihn daran zu hindern, sich weiter eigenhändi g S chläge zu versetzen, durch die bereits ein dünner Blutstrom aus dem linken Nasenloch geronnen war. Nach einer Weile hatte er Shep losgelassen, saß nun einfach neben ihm – vorgebeugt, mit gesenktem Kopf, die Unterarme auf den Oberschenkeln, mit verschränkten Händen – und redete und redete.
    Weil sie Dylan wegen des Verkehrslärms nicht hören konnte, entstand in Jilly der Eindruck, dass er diskret murmelnd mit seinem Bruder sprach. Die matte Innenbeleuchtung des Wagens und die Haltung der beiden Männer – Seite an Seite, nah und doch jeder für sich – ließ an einen Beichtstuhl denken. Je länger sie die Brüder beobachtete, desto perfekter wurde die Illusion, bis Jilly die Möbelpolitur riechen konnte, mit der die Beichtstühle ihrer Jugend eingerieben worden waren. Sie war gemischt mit dem Jahrzehnte alten Duft glimmenden Räucherwerks.
    Ein merkwürdiges Gefühl überkam sie, ein Gefühl, dass die Szene vor ihr eine Bedeutung besaß, die über das hinausging, was die fünf Sinne wahrnehmen konnten, dass in ihr viele geheimnisvolle Schichten verborgen waren und dass sich im Kern all dieser Geheimnisse etwas … Übersinnliches befand. Seltsam war das, weil Jilly zu sehr mit beiden Beinen auf der Erde stand, um sich als Medium oder Mystikerin zu empfinden; noch nie war sie von einer solchen Stimmung ergriffen worden.
    Obwohl die Nacht kaum nach etwas Exotischerem riechen konnte als nach dem strengen alkalischen Duft der Sonorawüste und den Auspuffgasen der vorbeifahrenden Wagen, schien sich die Luft zwischen Jilly und den beiden Brüdern zu einem feinen Weihrauchdunst zu verdichten. Dieses durchdringende Aroma aus Nelken, Myrrhe und Weihrauch war bald nicht mehr nur die Erinnerung an einen Duft, es war so wirklich und gegenwärtig geworden wie der gestirnte Himmel über Jilly und der lose Kies des Banketts zu ihren Füßen. I m a bgeschiedenen Innern des Wagens brachen und reflektierten die feinen Teilchen des aromatischen Rauchs in der Luft das herabströmende Licht, bis die O ’ Conners von einem blauen und goldenen Schein umgeben waren. Es sah

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