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Kalt

Kalt

Titel: Kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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zu säubern, und eilte dann auf die Stelle zu, wo Dylan gerade noch gewesen war, bevor ihn die Dunkelheit verschlungen hatte.
    *
    Ihr rundes, freundliches Gesicht, das sich bestens für Weihnachtskarten geeignet hätte, war im nächsten Moment verhärmt, düster und wie zu Halloween passend. Im zuckenden Schatten eines unsichtbaren Objekts wurde ihr weißes, glänzendes Haar verfilzt und feucht von Blut; doch dann fiel vo n n irgendwoher ein heller Schimmer auf sie, die roten Knäuel glätteten sich und wurden wieder zu weißen, glänzenden Locken. Und abermals verwelkte das rosige Gesicht unter dem schneeigen Haar zu körnigem Grau, das von verklebten Locken und Knoten umrahmt war. Ihre Augen blickten Dylan erschrocken an, dann weiteten sie sich jäh und waren mit kalter Sterblichkeit erfüllt – und eine Sekunde später waren sie wieder klar, hellwach und wirkten erschrocken.
    Dylan sah sie lebendig, tot, lebendig, tot. Ein Bild stieg aus dem anderen auf, machte kurz sein reales Dasein geltend und versank dann wieder in seiner Antithese. Er wusste nicht recht, was diese grässliche Erscheinung bedeutete, falls sie überhaupt eine Bedeutung hatte, aber er blickte auf seine Hände und erwartete, sie abwechselnd sauber und mit dem Blut der alten Frau befleckt zu sehen. Obwohl er feststellte, dass die Hände nichts mit seiner gewalttätigen Vision zu tun hatten, blieben seine Eingeweide trotzdem angstvoll zusammengeballt. Er sah der Frau wieder ins Gesicht und rechnete immer noch damit, dass die unbekannte Kraft, die ihn an diesen Ort getrieben hatte, ihn schließlich dazu benutzen würde, sie zu töten.
    » Cheeseburger, Pommes, Apfeltaschen und einen Milchshake mit Vanillegeschmack «, sagte die Frau. Entweder hatte Dylan sie bei seinem kurzen Besuch an ihrer Theke beeindruckt, oder sie verfügte über ein ganz erstaunliches Erinnerungsvermögen.
    Statt zu antworten, trat Dylan ungewollt zum Küchentisch und griff nach einer der leeren Bierdosen. Wieder flogen Leuchtkäfer durch die Knochenhöhle seines Schädels, aber das elektrische Zischen und Knistern war diesmal wesentlich leiser, und hinter den zusammengebissenen Zähnen setzte die Zunge zu keinem einzigen Zucken an.
    » Verlassen Sie das Haus «, sagte er zu der Frau. » Sie sind hier in Gefahr. Beeilen Sie sich, los, machen Sie schon! «
    Ob sie auf ihn hörte oder dablieb, bekam er nicht mit, weil er, noch während er sprach, die Bierdose auf den Tisch fallen ließ und sich sofort von der Frau abwandte. Er blickte nicht zu ihr zurück, konnte es einfach nicht.
    Dylan war noch nicht am Ende der seltsamen Reise angelangt, die er in seinem Wagen begonnen und hier zu Fuß fortgesetzt hatte. Jenseits der Küche, hinter einer offenen Tür, befand sich ein Flur, auf dessen Dielen ein fadenscheiniger Läufer mit Rosenmuster lag. Dylan wurde jetzt von einem erneuten Gefühl der Dringlichkeit vorwärts gezogen, einer dunklen Bestimmung entgegen.
    *
    Als Jilly den Carport erreicht hatte, spähte sie zurück zum Wagen, wo Shepherd im Licht der Straßenlaternen, das durch die Ölbaumäste drang, gehorsam auf dem Rücksitz saß, wo er auch bleiben sollte.
    Am Buick vorbei eilte sie aus dem Carport zur Rückseite des Hauses. Ein Schwarm bleicher Motten flog auf, als sie einen Kamelienbusch mit Blüten streifte, die voll und rot wie Mädchenherzen waren.
    Die Hintertür stand offen. Aus der Küche fiel ein Rechteck aus Licht auf den Boden der Veranda, der perlgrau lackiert und für die Veranda eines Hauses in einer Wüstenstadt erstaunlich staubfrei war.
    Selbst unter diesen außergewöhnlichen Umständen wäre Jilly wahrscheinlich an der Schwelle stehen geblieben, um höflich an den Pfosten der offenen Tür zu klopfen. Als sie jedoch die weißhaarige Frau in der Küche erkannte, die gerade den Hörer des an die Wand montierten Telefons abhob, war sie so erschrocken, dass sie mutig von der Veranda auf das frisch gebohnerte, gelbgrüne Linoleum trat.
    Als sie von Jilly überrascht wurde, hatte die Frau bereits die ersten beiden Ziffern des Polizeinotrufs gedrückt. Jilly nah m d er Frau den Hörer aus der Hand und hängte auf, bevor diese die letzte Taste drücken konnte.
    Wäre die Polizei gerufen worden, hätten auch die Männer in den schwarzen Chevrolets nicht lange auf sich warten lassen.
    Die Frau, die so fröhlich Fastfood verkauft und ihren Kunden einen schönen Abend gewünscht hatte, sah gar nicht mehr so aus wie die Großmutter aus einem Disneyfilm. Erschöpft

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