Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalt

Kalt

Titel: Kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
konnte sich sein geflüstertes Bitte eigentlich nur an ihn selbst richten. Er wurde von Beweggründen angetrieben, die er nicht verstehen konnte, aber trotzdem waren es ausschließlich ureigene Beweggründe.
    Er hätte sich umdrehen und davongehen können. Er wusste, dass er die Wahl hatte. Und er begriff ebenfalls, dass der Weg hinab und aus dem Haus leichter gewesen wäre als das Unternehmen, das nun vor ihm lag.
    Als Dylan erkannte, dass er sich tatsächlich völlig selbst in der Gewalt hatte, überkam ihn eine außergewöhnliche Ruhe. Sie legte sich so sanft auf sein Gemüt wie Schnee, der bei völliger Windstille eine weiche Decke über eine geschundene Landschaft breitete. Er hörte auf zu zittern. Weil er die Zähne nicht mehr fest zusammenbiss, hörten auch die Kiefermuskeln zu zucken auf. Sein Gefühl des Gehetztseins nahm ab, und sein Herzschlag wurde langsamer und weniger heftig, bis Dylan nicht mehr den Eindruck hatte, der Herzmuskel müsse reißen. Auch die Schlange aus kaltem Schrecken löste sich vom Rückgrat, biss sich in den Schwanz und verschlang sich selbst, bis sie nicht mehr vorhanden war.
    Dylan stand am Ende der Treppe und am Anfang eines dunklen Flurs und wusste, dass er zwar umkehren konnte, aber doch weitergehen würde. Weshalb, wusste er nicht und brauchte es vorläufig auch nicht zu wissen. Davon abgesehen, hielt er sich nicht für einen besonders mutigen Menschen, der dazu geboren war, Schlachtfelder zu überqueren oder in gefahrvollen Straßen zu patrouillieren. Er bewunderte Tapferkeit, aber von sich selbst erwartete er sie nicht. Obgleich seine Beweggründe ihm ein Geheimnis blieben, verstand er sich gut genug, um sich sicher zu sein, dass hier keine Selbstlosigkeit i m S piel war. Er würde also weitergehen, weil er intuitiv spürte, dass ein Rückzug nicht in seinem ureigenen Interesse war. Weil er all die merkwürdigen Informationen, die sein unheimlich gesteigertes Wahrnehmungsvermögen auffing, noch nicht bewusst verarbeiten konnte, zog er daraus den logischen Schluss, sich mehr auf seinen Instinkt zu verlassen, als unter normalen Umständen klug gewesen wäre.
    Das rosige Licht in der Diele erklomm die Treppenstufen kaum bis zum Absatz. Der Gang vor Dylan lag bis auf einen schwachen Lampenschein, der durch einen Türspalt auf der rechten Seite fiel, im Dunkeln.
    Soweit er erkennen konnte, gab es hier drei Zimmer: das mit der Lampe am Ende des Flurs, ein weiteres hinter einer näheren Tür rechter Hand und einen einzelnen Raum auf der Linken.
    Als Dylan drei Schritte bis zur ersten Tür rechts machte, schlich sich die Angst wieder in ihn hinein, aber sie blieb ein Gefühl, mit dem er umgehen konnte. Es war die rationale Beklommenheit eines Feuerwehrmannes oder eines Polizisten, nicht der eisige Schrecken, unter dem er auf seinem Weg von der Küche durch den Flur und über die Treppe gelitten hatte.
    Die psychische Fährte seiner Beute verseuchte den Türknauf. Fast hätte er die Hand zurückgezogen, die Intuition jedoch – seine neue beste Freundin – drängte ihn, nicht abzulassen.
    Ein leises Schnarren des Riegels, ein Flüstern trockener Türangeln. Durch ein Milchglasfenster fiel, geädert vom Schatten eines Ölbaumastes, der kadmiumgelbe Schein einer Straßenlaterne. Er war hell genug, um ein verlassenes Badezimmer erkennen zu können.
    Dylan drang zum zweiten Zimmer auf der Rechten vor, wo eine Klinge aus hellerem Licht durch den schmalen Spalt zwischen Tür und Pfosten drang. Instinkt wie Vernunft hielten ihn davon ab, das Auge an den Spalt zu legen, damit sich zu jene r m etaphorischen Klinge nicht ein echtes Messer gesellte, das ihn zur Strafe für sein Schnüffeln blendete.
    Als Dylan die Hand um diesen Türknauf schloss, wusste er, dass er den Unterschlupf der kranken Seele gefunden hatte, die er suchte, weil deren Fährte hier hundertmal stärker war als an den Orten, wo er sie bisher gespürt hatte. Die unsichtbare Spur, die seine Beute hinterlassen hatte, zappelte unter seiner Handfläche wie ein Tausendfüßler, sie krümmte und wand sich, und da wusste er: Hinter dieser Tür befand sich eine Kolonie der Hölle, errichtet auf der falschen Seite des Todes.
     

16
    Als Marjorie den Fuß über die Schwelle der Hintertür setzte, erinnerte sie sich daran, ihren mitgebrachten Verzehr in der Küche zurückgelassen zu haben. Sie wolle zurückgehen, um die Tüte zu holen, solange der Cheeseburger noch warm sei.
    Geduldig wie der Riesenvogel Bibo oder eine andere

Weitere Kostenlose Bücher