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Kalt

Kalt

Titel: Kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Nichts «, sagte er und ließ die Plakette in den kleinen Abfallbehälter zwischen den Sitzen fallen, » oder fast nichts. Es war nicht der Button selbst, der mich angetrieben hat. Es war … Marjories drohender Tod, den ich irgendwie auf meinem Button gespürt habe. Ergibt das Sinn? «
    » Nur hier in diesem Käfig voller Narren, in dem wir uns neuerdings aufzuhalten scheinen. «
    » Bestellen wir Ihnen erst mal ein Bier «, sagte Dylan.
    » Lieber gleich zwei. «
    Während sie über den Parkplatz zum Eingang des Restaurants gingen, hielt Shep sich zwischen Dylan und Jilly. Er trug das Buch Große Erwartungen mit der kleinen, angeklemmten Leselampe vor sich und las im Gehen aufmerksam weiter.
    Dylan hatte überlegt, ihm das Buch wegzunehmen, aber Shepherd hatte in dieser Nacht schon allerhand durchgemacht. Zum einen war sein Tagesablauf durcheinander gekommen, was ihm immer Angst machte. Zum anderen hatte er in wenigen Stunden mehr Aufregung über sich ergehen lassen müssen als in den letzten zehn Jahren, und Shepher d O’ Conner war normalerweise nicht in der Lage, mit Aufregung umzugehen.
    Schon wenn ihn bei einer Kunstausstellung zu viele Fremde ansprachen, konnte das seine Toleranz gegenüber Konversationsversuchen überstrapazieren, auch wenn er nie irgendetwas erwiderte. Zu viele Blitze bei einem Gewitter oder auch zu viel Donner und zu viel tosender Regen überstiegen seine Kapazität, Unruhe zu ertragen, was nicht selten eine Panikreaktion auslöste.
    Dass Shep im Motel nicht in Panik geraten war, dass er sich beim Anblick des brennenden Cadillacs nicht wie eine Kellerassel zusammengerollt und in angstvollen Krämpfen gewunden hatte, dass er während Dylans tollkühner Fahrt zu Marjories Haus nicht gekreischt und sich die Haare gerauft hatte – dies alles war mehr als erstaunlich. Verglichen mit seinem gewöhnlichen Verhalten, wenn er sich den banaleren Aufregungen des Alltags gegenübersah, war es sogar ein Wunder an Selbstbeherrschung.
    Im Augenblick war Große Erwartungen Sheps Rettungsboot in einer von Aufruhr überschwemmten Nacht. Indem er sich an das Buch klammerte, konnte er sich davon überzeugen, dass er in Sicherheit war. Er konnte alle Störungen seiner beruhigenden Routine aus dem Bewusstsein verbannen und sich blind und taub gegenüber der Flut von Reizen stellen, die ihn sonst überschwemmt hätte.
    Zu den Symptomen von Sheps Zustand gehörten unbeholfene Bewegungen und eine mangelnde physiologische Koordination, aber obwohl es nicht einfach sein musste, beim Gehen zu lesen, bewegte er sich weder steifer noch mit einem deutlicheren Schlurfen vorwärts. Dylan hatte den Eindruck, dass sein Bruder selbst eine Treppe überwunden hätte, ohne Charles Dickens auch nur vorübergehend aus den Augen zu lassen.
    Am Eingang des Restaurants erwartete sie zwar keine Treppe, als Dylan jedoch die Tür berührte, schäumte ihm latent e p sychische Energie zischend an Handfläche und Fingerkuppen, sodass er den Griff fast wieder losgelassen hätte.
    » Was ist? «, fragte Jilly, die ständig auf der Hut zu sein schien.
    » Etwas, woran ich mich gewöhnen muss. « Vage spürte Dylan die Ausstrahlung vieler Menschen, deren Hände immaterielle Ablagerungen auf dem Türgriff hinterlassen hatten, als wären es mehrere Lagen getrockneter Schweiß.
    Das Restaurant stellte eine gespaltene Persönlichkeit zur Schau. Gegen alle physikalischen Gesetze hatten eine Imbisshalle und ein Steakhaus es geschafft, zur selben Zeit denselben Ort zu besetzen, ohne eine katastrophale Explosion auszulösen. Mit billigem rotem Kunstleder gepolsterte Sitznischen und rote Kunstlederstühle waren mit echten Mahagonitischen kombiniert. Teure Kristallglaslampen warfen ihr vielfach gebrochenes Licht nicht etwa auf einen Teppichboden, sondern auf leicht zu reinigendes PVC mit Holzdekor. Kellner und Kellnerinnen trugen schwarze Anzüge, gestärkte weiße Blusen und schicke schwarze Krawatten, die Bedienungshilfen hingegen latschten in Straßenklamotten zwischen den Tischen umher und glichen sich nur durch dieselben dämlich aussehenden Papiermützen und denselben mürrischen Gesichtsausdruck.
    Da die Essenszeit lange vorbei war, war nur ein Drittel der Restauranttische belegt. Die Gäste, die noch bei ihrem Des sert, bei Likör oder Kaffee saßen, waren in leise, angenehm alkoholisierte Gespräche vertieft. Nur wenige bemerkten, dass Shep, der zwischen Jilly und Dylan ging, bei jedem Schritt in sein Buch vertieft blieb, während sie von

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