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Kalt

Kalt

Titel: Kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Becken begegneten, schaute er sofort weg. Dann drehte er den Wasserhahn ab, ohne den nach Orangen duftenden Schaum ganz von den Händen gespült zu haben.
    » Pipi, Dylan. «
    » Pipi, Shepherd. «
    Schaum tropfte von den Fingern des Bärtigen, und schillernde Seifenbläschen schwebten hinter ihm her und sanken langsam zu Boden, während er zu einem Handtuchspender ging und mehrere Papierhandtücher herauskurbelte.
    Endlich hörte man Shepherds kräftigen Strom rauschen.
    » Gutes Pipi «, sagte Shep.
    » Gutes Pipi. «
    Offenbar war es dem Bärtigen zu unheimlich geworden, um noch länger dazubleiben und sich die seifigen Hände abzutrocknen. Das Knäuel Papierhandtücher in der Hand, floh er aus der Toilette.
    Dylan ging zu einem der Waschbecken, die der Flüchtling nicht benutzt hatte, doch dann kam er auf den Einfall, an den Handtuchspender zu gehen.
    » Pipi, pipi, pipi «, sagte Shepherd glücklich und sehr erleichtert.
    » Pipi, pipi, pipi «, echote Dylan, während er mit einem Handtuch zum Waschbecken des Bärtigen ging. Dort schützte er seine Hand mit dem Papier und berührte den Hahn, den sein Vorgänger gerade erst abgedreht hatte. Nichts. Kein Zischen, kein Knistern.
    Er berührte den Hahn mit der bloßen Hand. Massenhaft Zischen und Knistern.
    Noch einmal mit dem Papierhandtuch. Nichts.
    Also bedurfte es des Hautkontakts. Vielleicht nicht bloß mit den Händen, es konnte ja auch mit den Ellbogen funktionie ren … oder mit den Füßen. Allerlei ebenso absurde wie komische Möglichkeiten kamen ihm in den Sinn.
    » Pipi. «
    » Pipi. «
    Dylan rieb den Wasserhahn kräftig mit dem Handtuch ab, um die Seife und das Wasser zu entfernen, die der Bärtige darauf hinterlassen hatte.
    Dann berührte er den Hahn wieder mit der bloßen Hand. Der psychische Abdruck seines Vorgängers war noch genauso deutlich vorhanden wie vorher.
    » Pipi. «
    » Pipi. «
    Offenbar konnte man diese latente Energie also nicht einfach wie Fingerabdrücke wegwischen. Wahrscheinlich löste sie sich erst allmählich von selbst auf, so wie ein verdunstendes Lösungsmittel.
    Dylan wusch sich an einem anderen Becken die Hände. Er trocknete sie gerade neben dem Handtuchspender ab, als Shepherd aus der vierten Kabine kam und zu dem Waschbecken ging, das sein Bruder gerade benutzt hatte.
    » Pipi «, sagte Shepherd.
    » Jetzt kannst du mich ja sehen. «
    » Pipi «, wiederholte Shep beharrlich, während er das Wasser aufdrehte.
    » Ich bin doch da. «
    » Pipi. «
    Weil Dylan sich weigerte, in das Sonarspiel hineingezogen zu werden, wenn sie sich sehen konnten, warf er seine zerknüllten Papierhandtücher in den Abfalleimer und wartete wortlos.
    Ein Tumult bizarrer Gedanken wirbelte ihm im Kopf herum wie eine gewaltige Menge farbiger Wäsche in einem riesigen Wäschetrockner. Einer dieser Gedanken war, dass Shep in die erste Kabine gegangen, aber aus der vierten herausgekommen war.
    » Pipi. «
    Dylan ging zur vierten Kabine, deren Tür angelehnt war. Er schob sie mit der Schulter auf.
    Zwischen den einzelnen Kabinen waren Trennwände angebracht, deren Unterkante etwa bis zur Mitte des Schienbeins reichte. Shepherd hätte sich also flach auf den Boden legen und von Kabine eins zu Nummer vier robben können. Möglich, aber äußerst unwahrscheinlich.
    » Pipi «, wiederholte Shep einmal mehr, wenn auch diesmal mit weniger Begeisterung. Offenbar kam er widerstrebend zu der Überzeugung, dass sein Bruder nicht mehr mitspielte.
    Was seine persönliche Reinlichkeit anging, war Shep genauso heikel wie bezüglich der geometrischen Präsentation seiner Mahlzeiten. Nachdem er sich erleichtert hatte, folgte er einer Prozedur, von der er nie abwich: Einmal kräftig die Hände waschen, sie gut abspülen, dann noch einmal waschen und abspülen. Als Dylan zu ihm hinüberschaute, begann sein Bruder gerade mit dem zweiten Durchgang.
    Die sanitären Verhältnisse in öffentlichen Toiletten bereiteten Shepherd besondere Sorge. Selbst die gepflegteste Anlage betrachtete er mit paranoidem Argwohn, weil er davon überzeugt zu sein schien, dass sich dort auf allen Oberflächen sämtliche bekannten – und einige noch nicht entdeckten – Krankheiten tummelten. Da er ausgiebig die vom amerikanischen Ärztebund für Laien herausgegebene Enzyklopädie der Medizin studiert hatte, konnte er eine Liste praktisch aller bekannten Krankheiten und Infektionen aufsagen, wenn man töricht genug war, ihn dazu aufzufordern, und wenn er der Außenwelt gerade so aufgeschlossen

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