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Kaltblütig

Titel: Kaltblütig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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dass wir Perry ein bisschen auf die Sprünge helfen.«
    Duntz beugte sich vor. Er ist ein Schwergewichtler mit der instinktiven Beweglichkeit eines Weltergewichtlers, auch wenn seine stets halb geschlossenen Augen müde wirken und erschöpft. Er spricht schleppend; jeder Satz braucht seine Zeit, weil ihm die Wörter nur zögernd und in breitestem Cattle-Country-Akzent über die Lippen kommen. »Jawoll«, sagte er. »Wird Zeit.«
    »Hören Sie gut zu, Perry. Mr. Duntz sagt Ihnen jetzt nämlich, wo Sie an diesem Samstagabend wirklich waren.
    Wo Sie waren und was Sie dort gemacht haben.«
    »Sie haben die Familie Clutter umgebracht«, sagte Duntz.
    Smith schluckte. Er begann, sich die Knie zu reiben.
    »Sie waren in Holcomb, Kansas. Auf der Farm von Mr. Herbert W. Clutter. Und Sie haben das Haus erst verlassen, nachdem Sie sämtliche Bewohner ermordet hatten.«
    »Ich? Niemals. Ich …«
    »Was?«
    »Ich kenne keinen Clutter.«
    Dewey nannte ihn einen Lügner und brachte dann, wie mit den anderen drei Detectives besprochen, den entscheidenden Trumpf ins Spiel. »Es gibt einen Zeugen, Perry«, sagte er. »Jemanden, den Sie übersehen haben.«
    Eine volle Minute verging, und Dewey weidete sich an Smiths Schweigen, denn ein Unschuldiger hätte gefragt, wer denn dieser Zeuge sei und wer diese Clutters seien und wie sie auf den Gedanken kämen, dass er sie ermordet habe – hätte auf jeden Fall etwas gesagt. Doch Smith saß nur stumm da und massierte sich die Knie.
    »Und, Perry?«
    »Haben Sie ein Aspirin? Man hat mir mein Aspirin weggenommen.«
    »Haben Sie Schmerzen?«
    »Ja, in den Beinen.«
    Es war halb sechs. Dewey brach das Verhör abrupt ab, und das mit voller Absicht. »Wir machen morgen weiter«, sagte er. »Übrigens, wissen Sie, was morgen ist? Nancy Clutters Geburtstag. Sie wäre siebzehn geworden.«
     
    »Sie wäre siebzehn geworden.« Perry, der bei Morgengrauen schlaflos dalag, fragte sich (wie er später sagte), ob das Mädchen heute tatsächlich Geburtstag hatte; nein, befand er, das war nur ein fauler Trick, mit dem sie ihn einschüchtern wollten, genau wie dieses Märchen von dem angeblichen Zeugen. Das konnte einfach nicht sein.
    Oder meinten sie etwa … Hätte er doch nur mit Dick sprechen können. Aber Dick und er waren getrennt untergebracht; Dicks Zelle lag in einem anderen Stockwerk.
    »Hören Sie gut zu, Perry. Mr. Duntz sagt Ihnen jetzt nämlich, wo Sie an diesem Samstagabend wirklich waren …« Als ihm im Laufe der Vernehmung aufgefallen war, dass das Gespräch immer wieder um ein bestimmtes Novemberwochenende kreiste, hatte er sich innerlich gewappnet gegen das, was kommen musste, doch als es dann schließlich so weit war und der fette Cowboy mit der schweren Stimme sagte: »Sie haben die Familie Clutter umgebracht« – tja, da wäre er beinahe gestorben.
    Er musste in zwei Sekunden fast zehn Pfund abgenommen haben. Gott sei Dank hatte er sich nichts anmerken lassen. Das hoffte er jedenfalls. Und Dick? Wahrscheinlich hatten sie es bei ihm mit derselben Nummer probiert.
    Dick war clever, ein guter Schauspieler, aber sein »Mumm« ließ ihn bisweilen im Stich, er geriet zu schnell in Panik. Trotzdem war Perry sicher, dass er dichthalten würde, egal wie sehr sie ihn unter Druck setzten. Denn hängen wollte er wohl kaum. »Und Sie haben das Haus erst verlassen, nachdem Sie sämtliche Bewohner ermordet hatten.« Diesen Spruch hatte vermutlich so ziemlich jeder Ex-Knacki in Kansas zu hören bekommen. Sie hatten ohne Zweifel Hunderte von Männern befragt und Dutzende beschuldigt; er und Dick waren nur zwei von vielen. Andererseits – würde Kansas vier Special Agents tatsächlich tausend Meilen durch die Lande schicken, nur um zwei Kleinkriminelle hochzunehmen, die gegen ihre Bewährungsauflagen verstoßen hatten? Vielleicht waren sie ja wirklich auf etwas oder jemanden gestoßen – einen »Zeugen«. Aber das war unmöglich. Es sei denn … Er hätte einen Arm, ein Bein darum gegeben, auch nur fünf Minuten mit Dick sprechen zu können.
    Und Dick, der ein Stockwerk tiefer wach in seiner Zelle lag, war (wie er später sagte) genauso scharf darauf, mit Perry zu reden – um rauszukriegen, was der Penner denen erzählt hatte. Mist, man konnte sich ja nicht mal drauf verlassen, dass er sich auch nur halbwegs an ihr Fun-Haven-Alibi erinnerte – dabei hatten sie das weiß Gott oft genug durchgekaut. Und wenn diese Schweine ihm mit einem Zeugen gedroht hatten! Wetten, dass diese Pfeife glaubte, sie

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