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Kaltblütig

Titel: Kaltblütig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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nachdem Sie das Fun Haven verlassen hatten?«
    »Also, erst mal haben wir in einer Fernfahrerkneipe bei Happy Hill gefrühstückt. Dann sind wir nach Olathe gefahren, und ich hab Perry am Hotel abgesetzt. Ich würde sagen, das war so gegen elf. Dann bin ich nach Hause und hab mit meinen Eltern zu Mittag gegessen.
    Wie jeden Sonntag. Danach hab ich ferngesehen – Basketball, oder doch Football? Ich war ziemlich müde.«
    »Wann haben Sie Perry Smith das nächste Mal gesehen?«
    »Am Montag. Er hat mich in der Werkstatt besucht, wo ich arbeite. Bob Sands’ Body Shop.«
    »Und worüber haben Sie da geredet? Mexiko?«
    »Ja, an unserem Plan hatte sich nichts geändert, auch wenn uns das nötige Kleingeld fehlte, um da unten ins Geschäft zu kommen. Nach Mexiko wollten wir trotzdem, und es schien das Risiko wert.«
    »Das Risiko, wieder in Lansing zu landen?«
    »Das kam nicht in Frage. Wir hatten nämlich eigentlich nicht vor, nochmal in die Staaten zurückzukommen.«
    Nye, der sich die ganze Zeit Notizen gemacht hatte, sagte: »Einen Tag nach den Scheckbetrügereien – also am einundzwanzigsten – sind Sie und Ihr Freund Smith verschwunden. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie uns über Ihre Aktivitäten zwischen diesem Zeitpunkt und Ihrer Verhaftung hier in Kansas City aufklären könnten.
    Nur in groben Zügen.«
    Dick stieß einen Pfiff aus und verdrehte die Augen.
    »Boah!«, machte er und begann sodann, unter Aufbietung seines nahezu absoluten Erinnerungsvermögens, mit einer ausführlichen Schilderung der langen Fahrt – den ungefähr zehntausend Meilen, die Smith und er in den vergangenen sechs Wochen zurückgelegt hatten. Er redete eine Stunde und fünfundzwanzig Minuten – von 14:50 Uhr bis 16:15 Uhr – und erzählte, während Nye hektisch mitzuschreiben versuchte, von Highways und Hotels, von Motels, Flüssen, Städten und Dörfern, eine schier endlose Litanei von Namen; Apache, EI Paso, Corpus Christi, Santillo, San Luis Potosi, Acapulco, San Diego, Dallas, Omaha, Sweetwater, Stillwater, Tenville Junction, Tallahassee, Needles, Miami, Hotel Nuevo Waldorf, Somerset Hotel, Hotel Simone, Arrowhead Motel, Cherokee Motel und viele, viele mehr. Er nannte ihnen den Namen des Mannes, dem er seinen alten Chevrolet, Baujahr 1949, verkauft hatte, und gestand, in Iowa ein neueres Modell gestohlen zu haben. Er beschrieb die Personen, die sein Partner und er kennen gelernt hatten: eine mexikanische Witwe, reich und sexy; Otto, einen deutschen »Millionär«; zwei »tuntige« schwarze Preisboxer in einem »tuntigen« lavendelfarbenen Cadillac; den blinden Besitzer einer Klapperschlangenfarm in Florida; einen sterbenden alten Mann und dessen Enkel und andere. Und als er fertig war, verschränkte er die Arme und setzte ein zufriedenes Grinsen auf, als erwarte er ein Lob für den Humor, die Klarheit und die Offenherzigkeit seines Reiseberichts.
    Doch Nye, der mit dem Schreiben kaum nachkam, machte sich rasch letzte Notizen, und Church, der seine zur Faust geballte Rechte träge in die offene Handfläche der Linken schlug, schwieg – bis er plötzlich sagte: »Ich nehme doch an, Sie wissen, warum wir hier sind.«
    Hickocks Mundwinkel gingen nach unten, und er richtete sich auf.
    »Es dürfte Ihnen doch klar sein, dass wir uns nicht extra nach Nevada bemüht haben, um mit zwei kleinen Scheckbetrügern zu plaudern.«
    Nye hatte sein Notizbuch zugeklappt. Auch er starrte den Gefangenen an und bemerkte, dass sich an dessen linker Schläfe ein Geflecht von Adern abzuzeichnen begann.
    »Meinen Sie nicht auch, Dick?«
    »Was?«
    »Dass wir den weiten Weg wohl kaum auf uns genommen haben, um über ein paar faule Schecks zu reden.«
    »Ich wüsste keinen anderen Grund.«
    Nye zeichnete einen Dolch auf den Deckel seines Notizbuches und fragte: »Sagen Sie, Dick. Haben Sie schon mal vom Mordfall Clutter gehört?« Worauf »der Verdächtige«, wie Nye in seinem offiziellen Bericht über die Vernehmung vermerkte, »eine deutlich sichtbare Reaktion zeigte. Er wurde grau im Gesicht. Seine Augen zuckten.«
    »Sachte, sachte. Jetzt machen Sie aber mal ’nen Punkt.
    Ich bin doch kein Killer.«
    »Die Frage lautete«, rief Church ihm ins Gedächtnis, »ob Sie von den Clutter-Morden gehört haben.«
    »Ich hab vielleicht mal was darüber gelesen«, sagte Hickock.
    »Ein grausames Verbrechen. Grausam und feige.«
    »Und fast perfekt«, sagte Nye. »Aber Sie haben zwei Fehler gemacht, Dick. Es gibt nämlich einen Zeugen. Der vor Gericht

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