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Kaltblütig

Titel: Kaltblütig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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…«
    »Wann?«, fragte Church. »An welchem Wochentag?«
    »Donnerstag.«
    »Und wann sind Sie nach Fort Scott gefahren?«
    »Samstag.«
    »Den vierzehnten November.«
    Hickocks Augen funkelten verwundert. Man sah ihm an, dass er sich fragte, woher Church das genaue Datum kannte; und eilig – denn es war noch zu früh, um Hickocks Verdacht zu erregen – setzte Church hinzu:
    »Um wie viel Uhr sind Sie losgefahren, nach Fort Scott?«
    »Im Lauf des Nachmittags. Wir haben meinen Wagen auf Vordermann gebracht und im West Side Café einen Teller Chili gegessen. Das muss so gegen drei gewesen sein.«
    »Gegen drei. Hat Perry Smiths Schwester Sie erwartet?«
    »Nein. Perry hatte nämlich ihre Adresse verloren. Und sie hatte kein Telefon.«
    »Und wie wollten Sie sie dann finden?«
    »Wir wollten bei der Post nachfragen.«
    »Und das haben Sie dann auch getan.«
    »Ja. Perry. Es hieß, sie wäre weggezogen. Angeblich nach Oregon. Sie hatte aber keine Nachsendeadresse hinterlassen.«
    »Das muss ja ein ziemlicher Schlag ins Kontor gewesen sein. Nachdem Sie mit so einem dicken Batzen Geld gerechnet hatten.«
    Hickock nickte. »Weil – na ja, wir waren fest entschlossen, nach Mexiko zu gehen. Sonst hätte ich die Nummer mit den Schecks nicht abgezogen. Aber ich hatte gehofft … Ich will Ihnen die Wahrheit sagen. Ich dachte, wenn wir erst mal in Mexiko sind und Geld verdienen, kann ich sie abstottern. Die Schecks.«
    Nye fuhr dazwischen. »Moment mal, Dick.«
    Nye ist ein kleiner, aufbrausender Mann, der Schwierigkeiten hat, seine aggressive Energie, seine Neigung zu pointierten, unverblümten Formulierungen im Zaum zu halten. »Ich wüsste gern noch ein wenig mehr über die Fahrt nach Fort Scott«, sagte er mit größtmöglicher Beherrschung. »Als Sie erfuhren, dass Smiths Schwester weggezogen war, was haben sie da gemacht?«
    »Wir sind ein bisschen rumgelaufen. Haben ein Bier getrunken. Und sind dann wieder zurückgefahren.«
    »Nach Hause?«
    »Nein. Nach Kansas City. Zuerst sind wir ins Zesto Drive-In. Haben einen Hamburger gegessen. Und dann waren wir in der Cherry Row.«
    Weder Nye noch Church kannten die Cherry Row.
     
    »Das soll wohl ’n Witz sein«, sagte Hickock. »Jeder Bulle in Kansas kennt die Cherry Row.« Als die Detectives ihre Unwissenheit beteuerten, erklärte er ihnen, die Cherry Row sei ein kleiner Park, wo »hauptsächlich Strichmädchen« verkehrten, »aber auch viele Hobbynutten.
    Krankenschwestern. Sekretärinnen. Da hab ich schon des Öfteren Glück gehabt.«
    »Und an besagtem Abend. Hatten Sie da auch Glück?«
    »Eher nicht. Wir sind an zwei echte Schlampen geraten.«
    »Namens?«
    »Mildred. Die andere, Perrys Mädchen, hieß, glaube ich, Joan.«
    »Wie sahen sie aus?«
    »Könnten Schwestern gewesen sein. Beide blond.
    Mollig. Ich weiß nicht mehr so genau. Wir hatten uns eine Flasche Orange Blossom – Orangenlimonade mit Wodka – gekauft, und ich war schon ziemlich blau. Wir haben den Mädchen ein paar Drinks eingeflößt und sind dann mit ihnen zum Fun Haven rausgefahren. Ich nehme an, die Herren haben auch davon noch nie gehört.«
    Seine Vermutung stimmte.
    Hickock zuckte grinsend mit den Schultern. »Das ist an der Blue Ridge Road. Acht Meilen südlich von Kansas City. Eine Mischung aus Nachtclub und Motel. Ein Zimmer kostet zehn Dollar.«
    Im Folgenden beschrieb er das Zimmer, in dem die vier angeblich die Nacht verbracht hatten: zwei Einzelbetten, ein alter Coca-Cola-Kalender, ein Radio, das nur spielte, wenn man einen Vierteldollar einwarf.
     
    Seine Souveränität, seine Genauigkeit, seine eindrückliche Schilderung überprüfbarer Details imponierte Nye – obwohl der Junge natürlich log. Oder vielleicht doch nicht? Ob es nun an seiner fiebrigen Erkältung lag oder an seiner jäh erkalteten Gewissheit – Nye brach der eisige Schweiß aus.
    »Als wir am nächsten Morgen aufwachten, stellten wir fest, dass sie uns beklaut hatten und abgehauen waren«, sagte Hickock. »Bei mir gab’s nicht viel zu holen. Aber Perry war sein Portemonnaie los, mit vierzig oder fünfzig Dollar.«
    »Was haben Sie deswegen unternommen?«
    »Was hätten wir denn unternehmen sollen?«
    »Sie hätten zum Beispiel die Polizei verständigen können.«
    »Ich lach mich tot. Die Polizei verständigen? Nur zu Ihrer Information: Wer auf Bewährung draußen ist, darf weder saufen. Noch mit anderen Ex-Kna-«
    »Schon gut, Dick. Sonntag. Der fünfzehnte November.
    Was haben Sie an diesem Tag gemacht,

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