Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kaltblütig

Titel: Kaltblütig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
Vom Netzwerk:
diesen Schweinen Smith und Hickock nicht einfach kurzen Prozess und verschwendet stattdessen weiter unsere Steuergelder an diese Mörderschweine? Ich kann ihren Standpunkt verstehen. Sie sind sauer, weil sie nicht kriegen, was sie wollen – Rache. Und dabei bleibt es auch, jedenfalls wenn es nach mir geht. Ich bin für den Galgen.
    Es sei denn, ich bin derjenige, der baumeln soll.«
     
    Aber dann baumelte er doch.
    Es vergingen noch einmal drei Jahre, und nachdem Shultz sein Mandat niedergelegt hatte, nahmen sich zwei überaus geschickte Anwälte aus Kansas City, Joseph P.Jenkins und Robert Bingham, ihres Falles an. Obgleich sie von einem Bundesrichter ernannt worden waren und daher ohne Vergütung arbeiteten (getrieben nur von der felsenfesten Überzeugung, dass die Angeklagten Opfer eines »grotesk unfairen Verfahrens« geworden seien), stellten sie im Rahmen des amerikanischen Justizsystems zahlreiche Berufungsanträge und erreichten so die Aussetzung dreier Hinrichtungstermine: 25. Oktober 1962, 8. August 1963 und 18. Februar 1965. Die Anwälte behaupteten, ihre Mandanten seien zu Unrecht verurteilt worden, da man ihnen erst einen Rechtsbeistand zugewiesen habe, nachdem sie ein Geständnis abgelegt und auf eine Voruntersuchung verzichtet hatten; ferner seien sie vor Gericht unzulänglich vertreten und aufgrund von widerrechtlich erlangten Beweismitteln (das Gewehr und das Messer aus dem Haus der Hickocks) verurteilt worden, und schließlich habe man ihnen eine Verlegung des Verhandlungsortes verwehrt, obwohl das Verfahren in einer »vergifteten«, vorurteilsbeladenen Atmosphäre stattgefunden habe. Mit diesen Argumenten gelang es Jenkins und Bingham, den Fall dreimal bis vor den United States Supreme Court zu bringen – den Big Boy, wie viele prozessierende Gefangene ihn nennen –, der die Berufungsklagen jedoch immer wieder – kommentarlos, wie in solchen Fällen üblich – abwies und es ablehnte, die Vorlage der Verhandlungsakten anzuordnen, wodurch die Kläger Anspruch auf eine umfassende Beweisaufnahme vor dem Obersten Gerichtshof erlangt hätten. Im März 1965, nachdem Smith und Hickock fast zweitausend Tage in der Todeszelle verbracht hatten, setzte der Kansas Supreme Court ihren Hinrichtungstermin für Mittwoch, den 14. April 1965, zwischen null und zwei Uhr morgens fest. Daraufhin wurde dem neugewählten Gouverneur von Kansas, William Avery, ein Gnadengesuch vorgelegt; doch Avery, ein reicher Farmer mit einem feinen Gespür für die öffentliche Meinung, weigerte sich, einzugreifen – »zum Wohle der Einwohner des Staates Kansas«, wie er meinte.
    (Zwei Monate später wies Avery auch die Gnadengesuche Yorks und Lathams ab, die am 22. Juni 1965 gehängt wurden.) Und so kam es, dass Alvin Dewey an jenem Mittwochmorgen beim Frühstück in einem Hotelcafé in Topeka auf der Titelseite des Kansas City Star eine Schlagzeile las, auf die er lange gewartet hatte:
    TOD DURCH STRICK FÜR GRAUSAMEN MORD.
    Der Artikel aus der Feder eines Reporters von Associated Press begann mit den Worten: »Das Verbrecherduo Richard Eugene Hickock und Perry Edward Smith wurde heute in den frühen Morgenstunden für einen der blutigsten Morde in der Kriminalgeschichte des Staates Kansas durch Erhängen hingerichtet. Hickock, 33 Jahre alt, starb als Erster um 0:41 Uhr; Smith, 36, starb um 1:19 Uhr …«
     
    Dewey hatte sie sterben sehen, denn er gehörte zu den einundzwanzig geladenen Zeugen der Zeremonie. Er hatte noch nie einer Hinrichtung beigewohnt, und als er gegen Mitternacht das kalte Lagerhaus betrat, war er gelinde überrascht: Er hatte sich eine dem würdigen Anlass angemessene Umgebung vorgestellt und nicht diese düstere, von trübem Licht erhellte Höhle voller Bauholz und Gerümpel. Dafür bot der Galgen mit den beiden fahlen, an einem Querbalken befestigten Schlingen einen imposanten Anblick; ebenso der etwas wunderliche Henker, der auf der Plattform am oberen Ende der dreizehn Stufen stand und einen langen Schatten warf. Der Henker, ein ledriges, namenloses Männlein, das man gegen sechshundert Dollar Honorar eigens aus Missouri hatte kommen lassen, trug einen abgewetzten, nadelgestreiften Zweireiher, der viel zu geräumig war für seine schmächtige Gestalt – das Jackett reichte ihm fast bis zu den Knien; und auf seinem Kopf saß ein verwittertes, schweißfleckiges Ungetüm, das einmal ein leuchtend grüner Cowboyhut gewesen sein mochte.
    Auch fand Dewey die verkrampft unverkrampften Gespräche der

Weitere Kostenlose Bücher