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Kaltblütig

Titel: Kaltblütig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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Frau mit weichem, rundlichem Gesicht, dem man die Jahrzehnte mühsamer Arbeit von früh bis spät nicht ansah, widersprach entschieden: »Was heißt hier nicht gut geht? Drei süße kleine Jungs, unsere Enkel – ist dir das etwa nicht gut genug? Und Carol ist ein liebes Mädchen. An ihr hat’s nicht gelegen.«
    Mr. Hickock fuhr fort: »Carol und er haben ein großes Haus gemietet, sich einen schicken Wagen angeschafft – sie hatten nichts als Schulden. Obwohl Dick als Krankenwagenfahrer bald besser verdiente. Später ist er dann bei der Markl Buick Company untergekommen, einer großen Firma in Kansas City. Als Mechaniker und Autolackierer.
    Aber Carol und er haben über ihre Verhältnisse gelebt und sich ständig Sachen angeschafft, die sie sich eigentlich gar nicht leisten konnten, und da ist Dick dann auf die Geschichte mit den Schecks gekommen. Ich bin ja bis heute davon überzeugt, dass das mit seinem Unfall zusammenhängt, dass er mit diesen krummen Touren angefangen hat. Er hatte sich bei ’nem Autounfall ’ne Gehirnerschütterung geholt. Danach war er nicht mehr der alte. Glücksspiel, faule Schecks. So was hatte er vorher nie gemacht. Und so um den Dreh hat er ja dann was mit diesem älteren Mädel angefangen. Wegen dem er sich von Carol hat scheiden lassen und was dann seine zweite Frau geworden ist.«
    »Was hätte er denn machen sollen?«, sagte \1 Hickock. »Margaret Edna war hinter ihm her wie der Teufel hinter der armen Seele.«
    »Aber nur weil ’ne Frau was von einem will, muss man ihr doch nicht gleich auf den Leim gehen«, sagte Mr. Hickock. »Tja, Mr. Nye, Sie wissen vermutlich genauso gut wie wir, warum unser Sohn ins Gefängnis gekommen ist. Siebzehn Monate hinter Schloss und Riegel, dabei hatte er sich doch bloß ein Gewehr ausgeliehen. Bei einem Nachbarn. Er wollte es bestimmt nicht stehlen, da können die Leute sagen, was sie wollen. Und das hat ihn ruiniert. Als er aus Lansing wiederkam, war er wie ein Fremder. Man konnte kein vernünftiges Wort mehr mit ihm reden. Die ganze Welt war gegen Dick Hickock – dachte er. Selbst seine zweite Frau hatte ihn verlassen – sie hatte die Scheidung eingereicht, als er noch im Gefängis saß. Dabei sah es bis vor kurzem ganz so aus, als ob er sich wieder berappelt hätte. Er hatte einen Job in Bob Sands’ Body Shop, drüben in Olathe. Er wohnte hier bei uns, ging früh ins Bett und verstieß in keinster Weise gegen seine Bewährungsauflagen. Ich will Ihnen was sagen, Mr. Nye, ich mach es nicht mehr lange, ich hab Krebs, und Dick wusste das – zumindestens wusste er, dass ich krank bin –, und noch vor kaum vier Wochen, kurz bevor er weggegangen ist, hat er zu mir gesagt:
    ›Dad‹, hat er gesagt, ›du warst mir immer ein ziemlich guter Vater. Von jetzt an mach ich dir auch keinen Kummer mehr.‹ Und das war sein voller Ernst. Der Junge hat einen guten Kern. Wenn sie ihn je auf dem Footballfeld gesehen hätten oder wie er mit seinen Kindern spielt, dann wüssten sie, wovon ich rede. Gott, ich wünschte, der Herrgott könnte mir sagen, woran es liegt, ich weiß es beim besten Willen nicht.«
    »Ich schon«, sagte seine Frau und wollte die Socke eben weiterstopfen, als ihr die Tränen kamen. »An seinem komischen Freund. Daran liegt’s.«
    Der Besucher, KBI-Agent Harold Nye, stenografierte fleißig mit – sein Notizbuch füllte sich allmählich mit den Resultaten eines langen Tages, den er damit verbracht hatte, Floyd Wells’ Geschichte auf den Grund zu gehen.
    Die zusammengetragenen Fakten schienen Wells’ Behauptungen zu stützen. Am 20. November war der Verdächtige Richard Eugene Hickock in Kansas City »auf Einkaufstour« gegangen und hatte dabei nicht weniger als siebenmal mit »heißen« Schecks bezahlt. Nye hatte sämtliche Geschädigten aufgesucht – Foto-, Radiound Fernsehhändler, einen Juwelier, einen Verkäufer in einem Bekleidungsgeschäft – und ihnen Fotografien von Hickock und Perry Edward Smith gezeigt; alle Zeugen hatten Ersteren als den Scheckfälscher, Letzteren als seinen »stillen« Komplizen identifiziert. (Einer der betrogenen Händler sagte: »Er [Hickock] machte die ganze Arbeit. Ein gewiefter Redner, sehr überzeugend. Der andere – ich dachte, er wäre Ausländer, vielleicht Mexikaner – machte nicht ein einziges Mal den Mund auf.«) Danach war Nye in den kleinen Vorort Olathe gefahren, wo er Hickocks letzten Arbeitgeber, den Inhaber von Bob Sands’ Body Shop, befragte. »Ja, er hat hier gearbeitet«, sagte

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