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Kaltblütig

Titel: Kaltblütig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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oder Fünfer zu.
    Er zahlte gut, und wenn man’s verdient hatte, geizte er auch nicht mit Zulagen. Mr. Clutter war alles in allem der sympathischste Mensch, der mir je begegnet ist. Die ganze Familie. Mrs. Clutter und die vier Kinder. Damals waren die beiden Jüngsten, die beiden, die ermordet wurden – Nancy und der Kleine mit der Brille –, ja noch Kinder, vielleicht fünf oder sechs Jahre alt. Die anderen beiden – eine hieß Beverly, wie die andere hieß, hab ich vergessen – gingen schon auf die High School. Eine nette Familie, wirklich nett. Ich hab sie nie vergessen. Irgendwann 1949 bin ich dann weg. Ich heiratete, ließ mich scheiden, ging zur Army, es passierte dies und das, die Zeit verflog, könnte man sagen, und 1959 – Juni 1959, zehn Jahre nachdem ich Mr. Clutter zuletzt gesehen hatte – kam ich nach Lansing. Weil ich in einen Laden eingebrochen war. Elektrogeräte. Ich wollte mir nämlich ein paar elektrische Rasenmäher besorgen. Nicht, um sie zu verkaufen. Nein, ich wollte einen Rasenmäherverleih aufziehen. Ein eigenes kleines Geschäft. Aber das Einzige, was dabei rumkam, waren die drei bis fünf Jahre. Sonst hätte ich Dick wahrscheinlich nie kennen gelernt, und Mr. Clutter läge noch nicht unter der Erde. Aber es ist nun mal, wies ist. Ich lief Dick über den Weg.
    Er war der Erste, mit dem ich die Zelle teilte. Gut vier Wochen. Von Juni bis Mitte Juli. Er hatte seine drei bis fünf Jahre fast hinter sich und sollte im August auf Bewährung rauskommen. Er redete oft darüber, was er nach der Entlassung vorhatte. Er wollte sich auf ’nem Raketenstützpunkt in Nevada ’ne gebrauchte Uniform besorgen und den Leuten als falscher Air-Force-Offizier ›reihenweise heiße Schecks andrehen‹. Das war so eine von seinen komischen Ideen. (Die ich, ehrlich gesagt, ziemlich dämlich fand. Was nicht heißen soll, dass er blöd gewesen wäre, nein, er sah nur einfach nicht so aus.  Wie ein Air-Force-Offizier.)Ein andermal erzählte er mir von seinem Freund. Perry. Ein Halbindianer, mit dem er die Zelle geteilt hatte. Und von den großen Dingern, die sie drehen wollten, wenn sie wieder zusammen waren. Ich hab ihn nie kennen gelernt – Perry. Hab ihn nie gesehen. Er war damals schon wieder weg aus Lansing, auf Bewährung raus. Aber Dick sagte immer, wenn er mal ’nen richtig dicken Fisch an der Angel hätte, könnte er sich voll und ganz darauf verlassen, dass Perry mitzieht.
    Ich weiß nicht mehr, wie wir auf Mr. Clutter kamen.
    Wahrscheinlich haben wir uns über die verschiedenen Jobs unterhalten, die wir im Lauf der Jahre so gemacht hatten. Dick war gelernter Autoschlosser und hatte hauptsächlich in der Branche gearbeitet. Nur einmal hatte er ’nen Job als Krankenwagenfahrer. Da hat er schwer mit angegeben. Von wegen den Schwestern und was er mit ihnen in dem Krankenwagen alles getrieben hätte.
    Jedenfalls hab ich ihm erzählt, dass ich mal ein Jahr auf ’ner großen Weizenfarm in West-Kansas gearbeitet hatte.
    Für Mr. Clutter. Er wollte wissen, ob Mr. Clutter reich war. Ja, sagte ich. Und wie. Ich sagte, Mr. Clutter hätte mir sogar mal erzählt, dass er pro Woche zehntausend Dollar los wird. Ich meine, dass ihn der Farmbetrieb manchmal zehntausend Dollar die Woche kostet. Danach hat Dick mich über die Familie regelrecht ausgequetscht.
    Wie viele sind es? Wie alt sind die Kinder heute? Wie genau kommt man zum Haus? Wie ist die Raumaufteilung? Hat Mr. Clutter einen Safe? Und ich muss gestehen, ich hab ja gesagt. Weil ich mich dunkel an eine Art Schrank oder Safe oder so was erinnerte, direkt hinter dem Schreibtisch in Mr. Clutters Büro. Da fing er plötzlich an, von wegen er würde Mr. Clutter umbringen. Mit Perry nach West-Kansas rausfahren, die Bude ausräumen und sämtliche Zeugen beseitigen – die Clutters und wer sonst noch da ist. Er hat mir bestimmt ein Dutzend Mal erklärt, wie er es machen wollte, wie Perry und er die Leute fesseln und dann einen nach dem anderen umlegen würden. Ich sagte: ›Dick, damit kommst du doch nie im Leben durch.‹ Ich kann allerdings nicht behaupten, dass ich versucht hätte, ihn davon abzubringen. Weil ich nicht im Traum darauf gekommen wäre, dass er das tatsächlich durchziehen wollte. Ich dachte, das war bloß Gerede. In Lansing wird schließlich viel geredet. Und es geht fast immer nur um das eine: was sie nicht alles Tolles machen wollen, wenn sie wieder draußen sind – Überfälle, Brüche und so weiter und so fort. Pure Angeberei. Kein

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