Kaltduscher
eigentlich kann Amelie jetzt nicht aus der Tatsache, dass ich die Tür nicht zugemacht habe, schließen, dass… Außer Lambert hat gepetzt. War schon etwas gewagt, dass ich ihm gestern so viel anvertraut habe. Was weiß ich, was es alles für Kommunikationsebenen zwischen Hunden und Frauen gibt. Man hört ja die erstaunlichsten Dinge.
Als ich wieder rauskomme, schüttelt Amelie sofort den Kopf.
»Nein, die Installateur-Hose ist nichts. Hab mich getäuscht. Sieht einfach nur nach Installateur aus. Eine Zimmermannshose vielleicht?«
»Och nee, nichts mit Doppelreißverschluss, oder?«
»Oder eine Malerhose?«
»Weißt du, irgendwie ist Berlin nicht Plowdiw. Lass uns einfach wieder in die Neue Schönhauser gehen.«
»Du, das kann aber ganz schön teuer werden.«
»Ich krieg doch nächste Woche mein erstes Ernie-Geld.« Der männliche Angeber-Reflex. Ein Überbleibsel aus archaischen Zeiten. Wirkt heute höchstens noch bei hirntoten Porsche-Hinterherglotz-Trullas, aber bestimmt nicht bei Amelie. Bei der wäre mit Porsche gar nichts zu holen. Außer er ist kaputt und du brauchst Hilfe beim In-die-Werkstatt-Schieben. Ich hätte kaum etwas Dooferes machen können, als zu erwähnen, dass ich kein Geldproblem mehr habe. Damit habe ich meine Hilfsbedürftigkeit kleingeredet. Dass Amelie trotzdem weiter mitkommt, ist ein kleines Wunder, aber ich merke schon, wie ihr Engagement nachlässt. Sie guckt sogar heimlich auf die Uhr. Ich darf sie jetzt nicht mehr zu sehr strapazieren.
Wir gehen in den erstbesten Chichi-Modeladen in der Neuen Schönhauser. Dass die Anzahl der hier angebotenen Hosen ziemlich überschaubar ist, finde ich recht angenehm. Mit anderen Dingen, wie zum Beispiel, dass der Laden PlumPlumStudio heißt, muss ich mich erst noch anfreunden.
Der PlumPlumVerkäufer scheint sich unheimlich über Kundschaft zu freuen. Ungewöhnlich für diese Stadt, aber in der Neuen Schönhauser schert sich keiner mehr um die alten Regeln.
»Eine Hose für den Herrn, vermute ich mal?«
Gut erkannt. Ich wette aber zehn zu eins, dass du trotz deiner Stimme hetero bist.
»Ja, genau. Hätten Sie einen Tipp für uns?«
»Schau mal, hier ist gerade ein Modell reingekommen. Musst du unbedingt gleich mal reinschlüpfen.«
»Hm, ganz schön knallig die Farbe, aber wenn Sie meinen.«
»Lass uns du sagen. Ich bin Gerald.«
Gerald nimmt mit Augen und Händen Maß.
»Die hier müsste passen. Du hast ja einen sportlichen Po.«
Und du bist trotzdem hetero, aber mir doch egal. Ich nehme die Hose.
Moment mal.
»He, nur dass das klar ist, ich will keine Röhrenjeans.«
»Probier sie. Sie ist quasi eine Weiterentwicklung.«
Er zwinkert Amelie zu. Ich sehe sie an. Sie zuckt mit den Schultern. Na gut. Ich schlüpfe in die Kabine.
»Tür zumachen, Krach.«
»Also mich stört das überhaupt nicht.«
Ich würde wirklich zu gerne sehen, wie schnell Gerald die Schwulenrolle ablegen würde, wenn ich jetzt die Fashion-Victim-Tunte mimen würde und auf seine Avancen einginge. Aber das ist mir einfach zu billig. Ich bin doch nicht Didi Hallervorden.
Puh, das Ding ist noch enger als ein Fußballtrikot von 1974. Ich komme kaum rein.
»Zeig dich, mein Freund. Großartig! Zu eng? Nein, oder? Da passt ja noch mein Fingerchen dazwischen. Was meinst du?«
Er sieht Amelie an.
»Ehrlich gesagt, von der Seite siehts komisch aus.«
Ich betrachte mir die Sache im Spiegel.
Uaah! Das muss ein Zerrbild sein.
»Weißt du, das ist eine Kombination aus Röhrenjeans und klassischen Baggy-Pants. Wadenbetont mit Hängepopo. Best of two Worlds. Damit bist du so was von ganz vorne dran, ich bin jetzt schon neidisch auf dich.«
»Ich glaube, ich muss mir das noch mal in Ruhe überlegen.«
»Ja, das denke ich auch.«
»Wir kommen morgen noch mal.«
»Kein Problem, ich leg sie euch zurück. Auf welchen Namen?«
»Eugen Wohlgemuth.«
»Prima. Morgen bin nämlich nicht ich da, sondern meine Fr… ähm, jemand anderes.«
Stecherakademie
Amelie wäre noch in ein weiteres Geschäft mitgegangen, aber Lambert war nun doch ein bisschen durch den Wind. Erstaunlicherweise war er aber bereit, ein Weilchen mit mir mitzukommen, damit Amelie sich mal ungestört für zwei Stunden auf ihre Lern-Bank in den Monbijoupark verziehen kann. Ich kämpfe mich mit ihm über die schmalen Bürgersteige der Rosenthaler Straße und wundere mich, dass keiner genervt ist. Mit einem Hund an der Leine beansprucht man nämlich ziemlich viel Platz. Aber stattdessen werde ich so
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