Kaltduscher
Informationen.«
»Aha.«
»Also, ganz einfach: Bis jetzt war der Stasi-Opa im Vorteil, weil er uns abgehört hat und wir nicht wussten, dass er uns abhört. Okay? Und jetzt wissen wir, dass er uns abhört.«
»Na und?«
»Denk doch mal nach: Er weiß nicht, dass wir wissen, dass er uns abhört. Jetzt sind wir im Vorteil.«
»Ah, ich glaube, ich verstehe. Wir haben mehr Nutzen davon, wenn er nicht weiß, dass wir wissen, dass er uns abhört, als wenn er weiß, dass wir wissen, dass er uns abhört.«
»Genau. Doof wäre jetzt natürlich, wenn er aus irgendeinem Grund doch weiß, dass wir wissen, dass er uns abhört, ohne dass wir davon wissen. Das hieße nämlich, dass wir nicht wüssten, dass er weiß, dass wir wissen, dass er uns abhört, aber du sagst ja, ihr habt wieder alles genau so hingelegt, wie ihr es vorgefunden habt…«
»Na ja, ganz sicher kann man da nie sein. Vielleicht hat er da ein paar geheime Erkennungszeichen.«
»Stimmt. Profis kleben doch immer ein Haar über ihren Türspalt. Wenn das zerrissen ist, wissen sie, dass jemand heimlich in ihrer Wohnung war.«
»Mist, da hätten wir mal nachsehen sollen.«
»Tja, zu spät. Dann machen wir es eben anders. Wir gehen davon aus, dass er weiß, dass wir wissen, dass er uns abhört.«
»Genial. Das heißt dann, er weiß nicht, dass wir wissen, dass er weiß, dass wir wissen, dass er uns abhört. Also sind wir wieder im Vorteil.«
»Genau.«
»Und was bringt uns das genau?«
»Hm. Das muss ich mir noch mal durch den Kopf gehen lassen.«
»Ich muss los.«
»Sonderschicht im Museum?«
»Äh ja, richtig.«
*
Dass ich zu Amelie duschen gehe, wollte ich keinem auf die Nase binden. Vor allem nicht Danach-Geschlechtsverkehr-Gonzo.
Was soll ich jetzt machen? Amelie weiß nicht, dass ich weiß, dass sie mit Gonzo geschlafen hat. Aber ich würde wiederum gerne wissen, wie hoffnungslos die Lage wirklich für mich ist. Was heißt, ich würde gerne wissen? Ich brenne darauf, ich muss es wissen.
Mist, ich bin schon fast da und habe immer noch keinen Plan. Was sage ich nur? Ich stehe schon vor dem Klingelbrett. Apartment 411. Jetzt macht es Brrrrring bei ihr… Türsummer, Tür auf… Nein, natürlich kann ich sie nicht direkt darauf ansprechen… Aufzug, Vierter Stock… Sie kriegt doch eine Krise, wenn sie erfährt, dass große Teile ihres Intimlebens in sauber beschrifteten Aktenordnern bei uns im dritten Stock lagern. Den gesamten Niedergang ihrer Beziehung zu Tobi könnte man da vermutlich nachlesen… Oder vielleicht spielt der Stasi-Opa auch nur mit uns. Vielleicht hat er das Schloss nur als Köder eingebaut? Weil er wusste, dass Tobi es nicht lassen können würde? Und das Danach Geschlechtsverkehr hat er nur hingeschrieben, damit ich es lese. Systematische psychische Verunsicherung von Systemgegnern. Das haben die doch in der DDR dauernd gemacht…
»Jauuuuuuuul!«
»Hallo, Krach.«
Wenn sie wüsste, was der, den sie da umarmt, weiß…
»Hallo Amelie, hallo Lambert. Also echt nett von dir, dass ich hier duschen…«
»Na klar. Leg doch am besten gleich los. Ich mach uns was zu trinken.«
Schon gut, ich müffel, ich weiß.
Ich quetsche mich durch die gerade mal schulterbreite Nasszellentür. Kann man nur hoffen, dass hier nicht eines Tages ein etwas beleibterer Student drin steckenbleibt und verhungert. Ist aber nicht mein Problem. Der mit dem Lichtschalter gekoppelte Lüfter fängt an, laut zu rauschen. Trotzdem ist Amelies Nasszelle insgesamt schon irgendwie ein Wohlfühlort, wenn man erst mal drin ist. Trotz den Tierbildern an der Wand. Kommt wahrscheinlich von der Vorstellung, dass sie hier jeden Tag drin herumschwebt.
Während ich aus den verschwitzten Sachen raussteige, grüble ich weiter über meine Situation nach. Dass der Stasi-Opa uns mit Absicht in seine Abhörstation gelockt hat, ist wohl doch zu weit hergeholt. Tobis Spionage-Gegenspionage-Theorie geht mir jetzt wieder durch den Kopf. Echte Informationen geheim halten und falsche Informationen verbreiten. Aber das hilft mir auch nicht weiter. Diese Logik hat man für den Umgang mit Feinden entwickelt. Amelie ist nicht mein Feind. Ich will keine Informationsvorteile. Ich will einfach, dass sie nicht mit Gonzo zusammen ist. Punkt.
Und ich sollte jetzt wirklich mal runterkommen und die Dusche genießen. Fließendes Wasser. Und das auch noch warm. Nein, wir müssen wirklich zusehen, dass wir eine neue Wohnung finden. Vielleicht irgendwo im nordwestlichen Prenzlauer
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