Kaltduscher
Berg? Da ist es doch auch ganz nett, und da gibt es bestimmt noch unsanierte Häuser mit halbwegs günstigen Mieten. Oder Kreuzberg? Aber da wohnen ja bestimmt auch schon Brad Pitt und Angelina Jolie. Wir sollten einfach alle in die Gehaltsklasse von Francesco aufsteigen. Das würde die Situation entspannen…
Gonzo. Den hatte ich wirklich überhaupt nicht auf der Rechnung. Ich hatte immer Angst, dass Amelie eines Tages mit einem verwegenen Greenpeace-Aktivisten, einem tiefseeerprobten Walfilmer oder einem attraktiven Tiermedizin-Prof mit eigenem Hundesanatorium an der Hand auftauchen würde. Aber Gonzo? Eine zornige Stimme in mir brüllt am laufenden Band den Lieblingssatz aller Liebes-Loser: »Was hat der, was ich nicht habe?«
»Ich mach uns Smoothies. Magst du lieber Apfel-Kirsch-Banane oder Himbeer-Zitrone-Banane?«
Amelies Stimme klingt wie eine kleine Glocke, selbst wenn sie durch Türen und über Lüfter- und Duschgeräusche hinwegbrüllt. Julia wäre jetzt bestimmt wieder einfach reingekommen. Hat schon was, ihre Art. Aber was rede ich. Wir sind zerstritten. Und ich kämpfe jetzt um Amelie.
»Apfel-Kirsch-Banane ist super.«
»Okay.«
Verflixt, ich spiele hier den Entspannten und habe immer noch keinen Plan.
Eigentlich bin ich schon von Kopf bis Fuß sauber, aber um Zeit zu gewinnen, Sprenkel ich noch mal eine Runde über alles drüber. Was sag ich ihr bloß? Vielleicht hat sich der Stasi-Opa einfach nur verhört? Vielleicht hat Gonzo nur irgendeinen 80er-Song angesungen, der wie Geschlechtsverkehr klingt? She Bop vielleicht?
Während ich mich trockenrubble, höre ich entfernt, wie der Mixer in der Stockwerksküche Äpfel, Kirschen und Bananen massakriert. Was zarte Hände alles anrichten können.
Nein, ich werde dichthalten. Es gibt nichts, was ich Amelie in dieser Angelegenheit sagen oder fragen kann. Alles viel zu extraordinär, kompliziert und unsicher. Ich muss mich an Gonzo halten.
So. Rein in das frische T-Shirt und Guntram Liebigs 119,90 Euro-Jeans. Schon wunderbar, so eine Dusche nach drei Tagen ohne fließendes Wasser. Für einen kurzen Moment fühle ich mich frisch wie Morgentau. Aber das ist nur ein Gefühl auf der Haut. Innerlich bin ich weiter ein Vulkan im Kampf mit einer Schlammlawine.
Trotzdem, ich kann und werde nichts sagen.
Ich stecke die alten Sachen in meine Tasche, gebe mir einen Ruck und mache die Nasszellentür auf. Amelie ist immer noch in der Stockwerksküche und verpasst den Apfel-Kirsch-Banane-Smoothies den letzten Feinschliff. Ich setze mich auf ihr fein säuberlich gemachtes Schrankbett. Für Sofas, Tischlein oder Kuschelecken ist hier kein Platz. Ob sie vielleicht deswegen so oft bei uns ist? Ihr gesamtes Studentenwohnheim-Apartment würde locker dreimal in Gonzos Zimmer passen… Und mein Zimmer ist sogar noch größer. Nein, ich kann sie nicht drauf ansprechen. Schluss, aus.
Die Tür geht auf.
»Jauuuuuuul!«
»Sooo, bitte schön, zweimal Apfel-Kirsch-Banane.«
»Danke.«
»Hey, wirklich schick, die neue Hose. Könntest du noch kürzen lassen, aber sieht so umgekrempelt eigentlich auch ganz gut aus.«
Zum zweiten Mal in dieser Woche fängt mein Mund an zu reden, ohne dass ich es ihm befohlen habe. Einmal mehr höre ich ihm zu und kann nicht glauben, was ich da sage.
»Amelie, ehrlich, sag mal, du hast was mit Gonzo, oder? Also frag mich jetzt nicht, woher ich das weiß, er hats mir nicht gesagt, wirklich nicht, also, das ist alles sehr kompliziert, das war mehr so ein Zufall, dass ich das jetzt weiß, aber, puh, ich, tut mir so leid, ich bin so durcheinander, ich fasse es nicht, ich meine, er und Tobi sind meine besten Freunde, wirklich, aber ich hätte nie gedacht, dass du und Gonzo, also versteh mich jetzt nicht falsch, er ist wirklich ein feiner Kerl, hat einen tollen Geschmack bis auf seinen Kinnbart und spielt super Gitarre, aber dass du und Gonzo, ich meine, mich gehts ja eigentlich nichts an, und warum misch ich mich da eigentlich ein, gell, aber du… ich… Gonzo… wrgl…«
Amelie hat sich in Zeitlupe auf ihren Schreibtischstuhl gesetzt. Ihr Gesicht ist keines mehr von denen, die ich kenne. Ich kenne ihr Lächeln, ihren sorgenvollen Blick, wenn sie Probleme sieht, die kleine Falte auf der Stirn, wenn sie sich ärgert, die Lachfältchen in ihren Augenwinkeln, wenn sie sich freut, und natürlich die entspannte Miene mit den großen, alles verstehenden Augen, die ich mir jederzeit sofort als Fototapete an die Wand kleben würde, obwohl ich, wie
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