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Kaltduscher

Kaltduscher

Titel: Kaltduscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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gesagt, eigentlich schon zu alt für Poster bin. Zum ersten Mal sehe ich sie verletzlich und unsicher. Sie sieht mich an. Ihr Gazellenkörper ist ein wenig in sich zusammengesunken, und den Smoothie in ihrer Hand scheint sie vergessen zu haben.
    Mein Mund spricht einfach weiter.
    »Also was ich eigentlich sagen will, ich kann nicht verstehen, warum Gonzo, oder nein, andersherum, warum du ausgerechnet mit einem, oder nein, noch anders, mir ist schon klar, also ihm gings wirklich schlecht, keine Frage, und ich find es ja auch großartig, dass du dich um ihn gekümmert hast, aber wieso kommt dann so was, also so was, du weißt schon, das ist doch irgendwie alles sehr plötzlich und überstürzt, also das war doch eine Extremsituation, verstehst du, der war wirklich völlig runter, klar, aber das ist jetzt eigentlich gar nicht das, worauf ich hinauswill…«
    Wie sie schaut. Ich sollte sie jetzt umarmen, aber mein Körper gehorcht mir nicht. Mein Mund quasselt ohne Befehl, meine Arme haben hingegen einen Befehl, aber verweigern ihn, ich muss da wirklich mal hart durchgreifen…
    »Also was ich sagen will, mit anderen Worten…«
    »Du findest, ich habe ein Helfersyndrom.«
    Natürlich, das liegt auf der Hand.
    »Nein, nein, wo denkst du hin.«
    »Und du glaubst, noch viel schlimmer, dass ich mich davon verleiten lasse, mich zu verlieben?«
    »Also, das hast jetzt du gesagt…«
    Sie schaut für einen Moment die Wand an. Ich überlege kurz, ob ich mich mitsamt dem Schrankbett in den Bettschrank einklappen soll. Wäre zumindest eine sehr elegante Art, meinen Mund und mich schnell und unkompliziert aus dem Spiel zu nehmen.
    »Das Schlimme ist, vielleicht hast du ja recht, Krach.«
    Wow, damit hätte ich jetzt zu allerletzt gerechnet. Ich dachte eher, dass ich zum ersten Mann der Menschheitsgeschichte werde, dem die sanfte Amelie einen Smoothie an den Kopf wirft.
    Sie sieht mich wieder an.
    »Weißt du, ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, Krach. Ich wollte nur, dass es ihm bessergeht. Und dann lag er da, sah mich an und sang die ganze Zeit I want to know what love is. Das hat, ich weiß, das klingt völlig verrückt, irgendwas mit mir gemacht, verstehst du?«
    Ich nicke und spüre einen dicken Kloß im Hals. Tut weh, aber wenigstens hindert mich das, schon wieder unkontrolliert zu reden.
    Sie schaut wieder die Wand an.
    »Ach, ich versteh es ja nicht mal selber. Ich war tatsächlich von einem Moment auf den anderen richtig verliebt in ihn, und irgendwie kam dann eins zum anderen…«
    »Sozusagen peng?«
    »Also Krach, das ist alles schon immer ein bisschen komplizierter, als man denkt, vor allem die Gefühle. Muss man auch mal im Großen und Ganzen sehen… Und ich fands ja auch nicht schön, das so zu verheimlichen, aber das ist alles gerade noch in der Schwebe, da wollte ich jetzt nicht unnötig Verwirrung stiften, bevor sich die Zustände stabilisiert haben.«
    Für einen kurzen Moment war sie offen, die Tür. Für einen ganz kurzen Moment. Amelies Gefühle. Ein großes Schloss mit tiefem Keller. Aber ich bin gerade mal in die Vorhalle gekommen. Und es war nicht so, dass mich ein Butler wieder rausgeschmissen hätte. Ich glaube, ich wollte selbst wieder gehen.
    »Ich verstehe.«
    Amelie schaut eine Weile auf den Boden und kaut an ihrem Daumen. Die Zugbrücke ist noch unten, aber der Weg über sie führt steil bergauf. Nein, ich will nicht.
    »Du weißt ja, Gonzo hat ein schweres Problem, Krach. Er kann sich nicht richtig ärgern. Und ich glaube, das liegt daran, dass er tief in seinem Innersten einfach jemanden braucht.«
    Ich auch, ja, Amelie, ich ja auch. Aber kann ich was dafür, dass ich nicht so tolle Wutanfälle hinkriege und kein RS2-Folteropfer bin? Das ist einfach ungerecht, verstehst du?
    »Bist du mir böse?«
    »Nein, wo denkst du hin.«
    »Wirklich nicht?«
    »Also, höchstens ein bisschen… aber das legt sich bestimmt bald wieder.«
    Und ich Idiot zwinkere ihr dabei auch noch schelmisch zu.
    Sie stellt ihren Smoothie auf den Schreibtisch und umarmt mich. Irgendwie bin ich mir nicht sicher, ob sie es tut, um ihr Gesicht vor mir zu verstecken.

Horowitz
     
    Es ist inzwischen schwül geworden. Das lang angekündigte Sommergewitter liegt in der Luft. Umso mehr hätte ich mir gewünscht, dass heute Abend zur Abwechslung einfach mal alles ganz normal ist, wenn ich nach Hause komme. Aber es ist natürlich wieder nicht so. Ich schnappe mir Tobi, der gerade mit einem Schraubenzieher über den Flur

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