Kalte Fluten
aus!«, hörte er eine männliche Stimme sagen und fuhr herum.
Er war nicht allein in seiner luxuriösen Wohnung, sondern blickte auf einen Mann, der hier offensichtlich auf ihn gewartet hatte. Er starrte wie gebannt auf die beiden Waffen, die der Mann auf ihn richtete. In jeder Hand hatte er eine.
»Wie sind Sie hier hereingekommen? Was wollen Sie von mir?«, fragte Egon. Russen-Egon, wie man ihn im Kiez nannte.
»Du hältst die Schnauze und ziehst dich aus!«
Egon, der Mann fürs Grobe, wollte die Sache auf seine Art regeln. Er ging auf den Mann zu, der daraufhin die in seiner rechten Hand befindliche Waffe abdrückte. Das Projektil traf Egon in den Oberschenkel. Die Betäubung wirkte schnell. Er brach zusammen.
Als er wieder aufwachte, saß er in seiner eigenen Sauna. Kabelbinder bohrten sich in das Fleisch seiner Hand- und Fußgelenke. Das Ausziehen hatte der geheimnisvolle Mann für ihn übernommen. Egon war inzwischen nackt und wurde jetzt von nur noch einer Waffe bedroht.
»Ich will dich töten«, sagte der Mann, der ihm auf der unteren Stufe der Sauna gegenübersaß.
Egon sprang auf. Doch damit schien der Mann gerechnet zu haben. Seine Füße waren nicht nur aneinander-, sondern auch an das Holz der Saunabänke gebunden. Wie ein gefällter Baum fiel er vornüber. Weil seine Hände auf dem Rücken gefesselt waren, konnte er den Sturz nicht abfangen und prallte ungebremst mit dem Gesicht auf. Er spürte einen heftigen Schmerz. Er hatte alle Schneidezähne verloren, seine Wangenknochen waren wohl gebrochen, und sein Mund füllte sich mit Blut.
Es dauerte fast eine Viertelstunde, bis Egon sich wieder berappelt hatte und seinen Peiniger feixend vor sich sitzen sah.
»Hat’s wehgetan?«, fragte er.
»Arschloch«, zischte Egon. Das Sprechen ohne Zähne mit gebrochenen Gesichtsknochen war gar nicht so einfach.
»Ich werde dich töten«, sagte der Mann.
»Warum willst du das?«, fragte er kleinlaut, fast winselnd.
»Lies das«, sagte der Mann und deutete auf die Buchstaben hinter sich, die er offenbar in die Holzvertäfelung eingebrannt hatte.
»Bereue«, flüsterte Egon.
»Eben. Deshalb habe ich dich auch nicht einfach abgeknallt. Das wäre für so jemanden wie dich ein viel zu schneller Tod. Du sollst bereuen und qualvoll sterben. Du wirst zwar nicht alle, aber viele Qualen erleben, die du anderen zugefügt hast.«
»Was haben Sie vor?«
»Konkret habe ich vor, jetzt diesen Raum zu verlassen, das Thermostat auf hundertzwanzig Grad zu stellen, die Tür zu verschrauben und dich kochen zu lassen.«
»Sie spinnen ja, Sie sind verrückt«, brüllte Egon in Todesangst.
Der Mann lächelte süffisant, stand auf und schloss die Tür von außen. Dann hörte Egon das Quietschen der Spax-Schrauben, mit denen der Mann die Holztür der Sauna fest mit der übrigen Konstruktion verband. Das Geräusch war schrecklich. Das hochfrequente Singen des Schraubers tat in den Ohren weh.
Mit einem fiesen Lachen winkte der Mann durch das Fenster in der Tür, während er den Regler auf volle Leistung drehte.
»Sieh auf den Wecker«, rief er Egon zu. »Eine Stunde, vielleicht zwei. Dann versagt dein Kreislauf. Vorher aber wirst du wissen, wie es ist, gequält zu werden. Bereue, du Verbrecher. Bereue, bereue, bereue!«
Wie gebannt fixierte Egon das Thermometer. Es kletterte Grad für Grad. Er brüllte. Er schrie. Doch niemand hörte ihn.
Er schwitzte. Er hatte Angst. Er bekam Durst. Schrecklichen, quälenden Durst. Ein unbezwingbares Verlangen nach kalter Flüssigkeit.
Nach gut einer Stunde wurde er ohnmächtig. Doch der Überlebenswille seines Organismus war stärker. Er wachte wieder auf.
»BEREUE«, las er noch einmal. Dann wurde ihm wieder schwarz vor Augen. Sein Kreislauf versagte endgültig. Das Herz blieb stehen.
Die Hitze in der Sauna kochte ihn durch. Schön langsam.
4
»Um Gottes willen, was ist denn hier passiert?«, fragte Wiebke. Wolfgang schüttelte nur den Kopf.
»Wir haben einen anonymen Anruf erhalten, in dieser verlassenen Scheune würden Leichen liegen«, informierte ein uniformierter Beamter die beiden.
»Konnten Sie sie schon identifizieren?«
»Nicht nötig, jedenfalls was den Erhängten angeht«, sagte Wolfgang.
Wiebke war baff. »Du kennst ihn?«
»Das ist Olaf Tormann, der Inhaber der Spedition Tormann.«
»Wegen dem du schon wieder eine Dienstaufsichtsbeschwerde wegen Körperverletzung im Amte hast«, murmelte Wiebke. »Und der andere?«, fragte sie dann laut.
»Der Mann da ist
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