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Kalte Fluten

Kalte Fluten

Titel: Kalte Fluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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Obduktion, ich weiß«, sagte Wiebke. »Du, Herbert: Warum sieht das da so schrecklich aus?«
    »Nun. Normalerweise erkaltet der Mensch, wenn er gestorben ist. Hier aber war der Tote in einer über hundert Grad heißen Umgebung. Die Fäulnisprozesse wurden beschleunigt. Deshalb ist er schlicht geplatzt, und seine Gedärme haben sich verteilt. Das Muskelgewebe wurde gekocht. Wie ein Hühnchen im Ofen. Seine Hoden erweitern sich auf Fußballgröße …«
    »Ich glaube, ich werde Vegetarierin«, unterbrach sie ihn und kämpfte wieder mit dem Brechreiz. Samstag liege ich, Gott sei Dank, mit Thomas am weißen Strand. Ich werde Cocktails schlürfen, und Wolfgang kann allein anfangen zu suchen. Den oder die Täter.
    Das Handy riss sie aus ihren Gedanken.
    »Ja, Herr Zielkow«, hörte man sie nur sagen.
    Sie legte auf. »Der Chef«, sagte sie zu Streicher und Wolfgang. »Er will mich sehen. Sofort. Machst du hier weiter, Wolfgang?«
    »Natürlich«, sagte er.
    Wiebke wusste, dass er eigentlich nur dumm dabeistehen würde. Aber Zielkow hatte gesagt, dass er sie allein sprechen wollte. Sofort. Seine Stimme duldete keinen Widerspruch und keinen Aufschub.
    ***
     
    »Meine liebe Frau Schulte«, sagte Zielkow mit der für ihn typischen aufgesetzten Freundlichkeit, die bei Vorgesetzten im Allgemeinen selten etwas Gutes zu bedeuten hat. »Nehmen Sie doch Platz. Wie geht es Ihnen als frischgebackene Ehefrau?«
    »Danke der Nachfrage«, sagte sie, nachdem sie sich ihm gegenübergesetzt hatte. »Aber vermutlich bin ich nicht hier, weil Sie mich nach meinem Befinden fragen wollen.«
    »Das stimmt leider«, sagte er. »Kaffee?«
    »Danke, nein. Was gibt es?«, fragte sie bohrend.
    »Sie glauben ja gar nicht, wie schnell sich die beiden Morde diesmal wieder herumgesprochen haben. Die Presse hat bereits Blut geleckt. Ich brauche schnelle Ergebnisse.«
    »Der Kollege Franke …«, setzte Wiebke an, doch Zielkows Blick ließ sie verstummen.
    »Ich finde es ja sehr kollegial von Ihnen, dass Sie seit über einem Jahr den faktischen Totalausfall von Herrn Franke auffangen und nichts dazu sagen. Aber mir machen Sie nichts vor. Sie sind die Ermittlerin. Herr Franke war dagegen einmal ein hervorragender Beamter. Und ich bin sicher, dass er, wenn er seine Therapie bei Ihrem Mann abgeschlossen hat, wieder zu alter Stärke zurückfinden wird.«
    »Sie wissen davon?«
    »Herr Franke hat mir selbst davon erzählt. Aber bis dahin ist … wie soll ich es sagen? Ja, bis dahin ist Herr Franke sicher kein Garant für den Erfolg in einer sensiblen und zeitkritischen Ermittlung von zwei Morden im Brennpunkt der Öffentlichkeit. Ich verlasse mich auf Sie. Ich brauche jetzt Sie persönlich und keinen Vertreter, der von den Fällen keine Ahnung hat.«
    Wiebke schwieg. Sie war wütend. Ihr Temperament würde sie nur dazu bringen, sich zu einer unbedachten Äußerung hinreißen zu lassen.
    »Außerdem«, sagte Zielkow und machte eine Kunstpause.
    »Was, außerdem?«, fragte Wiebke.
    »Sie haben auch noch was gutzumachen.«
    Erst wollte sie protestieren, doch in ihrem Inneren wusste sie, dass er recht hatte. Was hatte sie denn schon erreicht? Erst hatte sie einen Falschen verdächtigt, dann Lüerßen nicht gefunden und schließlich einen vielleicht Unschuldigen eingesperrt. Ein Superbulle war sie nicht gerade. Sie schluckte und fragte: »Was heißt das nun für mich?«
    »Das heißt leider, dass Sie erst dann Urlaub machen können, wenn Sie den oder die Täter gefunden haben.«
    »Das können Sie nicht machen, Chef. Ich fliege mit meinem Mann am Samstag auf die Seychellen. Es ist unsere Hochzeitsreise.«
    »Frau Kollegin. Der Dienst geht vor.«
    »Und wie soll ich das meinem Mann erklären?«
    »Das habe bereits ich getan. Er hatte Verständnis. Er sagte, dass er das kennen würde. Er hätte eine Reiserücktrittversicherung abgeschlossen. Die Bestätigung, dass wir Sie aus zwingenden dienstlichen Gründen hierbehalten müssen, hat er bereits.«
    Wiebke schaute erst baff. Dann kroch Wut in ihr hoch. Ihr Chef kungelte hinter ihrem Rücken mit ihrem Mann. Sie fühlte sich ausgenutzt. Sie fühlte sich benutzt. Sie war nur ein Objekt ohne eigenen Willen.
    »Dann kann man wohl nichts machen«, sagte sie mit letzter Kraft und stand auf.
    »Halten Sie mich auf dem Laufenden«, hörte sie Zielkow sagen, als sie bereits in der Tür stand.
    Sie drehte sich um und bellte fast militärisch: »Jawohl, Chef.«
    Zufrieden blickte Zielkow aus seinem Fenster. Er war froh, dass

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