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Kalte Fluten

Kalte Fluten

Titel: Kalte Fluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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Menschen. Er gab ihr den Freibrief. Niemand hatte etwas von ihrem unverzeihlichen Fehltritt bemerkt. Günter würde schweigen. Ein echter Freund.
    ***
     
    Günter ging am Jachthafen spazieren. Er brauchte frische Luft. Er wollte allein sein, traf jedoch unerwartet auf Randolf. Es war natürlich kein Zufall. Er war ihm gefolgt.
    »So hatte sie wenigstens eine Hochzeitsnacht, die den Namen verdient«, kam er unvermittelt zur Sache.
    »Du weißt es?«, fragte Günter.
    »Ich hatte die Suite neben euch. Die Geräusche, die ihr gemacht habt, ließen wenig Raum für eine Interpretation.«
    »Bitte, das muss unter uns bleiben.«
    »Natürlich. Aber die Ehe wird nicht lange halten.«
    »Unsinn. Das war eine einmalige Sache.«
    »Warum?«
    »Weil ich es nicht will. Ich liebe sie, ja. Ich konnte ihr nicht widerstehen. Aber ich spiele nicht den Liebhaber, der mit ihr alle paar Wochen bumsen darf, wenn der Herr Gemahl auf einer Fortbildung ist. Nein, auf keinen Fall. Sie wollte ihn. Also muss sie ihn auch ertragen.«
    Nachdenklich zündete sich Randolf eine Zigarette an.
    »Kann ich auch eine haben?«
    Randolf hielt ihm die Schachtel hin. Günter zündete die f6 an und inhalierte tiefe Züge. Ihm wurde schwindelig. Aber er brauchte das Nikotin.
    »Und eure Freundschaft?«
    »Ich muss darüber nachdenken. Ich kann das, was geschehen ist, nicht ungeschehen machen. Ich kann nicht einfach vergessen, dass ich mit ihr geschlafen habe. Ich kann nicht verdrängen, dass ich es genossen habe. Ich kann es nicht einfach aus meinem Gedächtnis ausradieren. Ob ich ihr nur noch als Freund gegenübertreten kann? Ich weiß nicht, ob ich dazu die Kraft habe.«
    »Ich hoffe es. Für euch beide«, sagte Randolf. Er fürchtete aber zugleich, dass es ein frommer Wunsch ohne große Aussicht auf Erfolg war.
    Schweigend gingen die beiden Männer zurück ins Hotel und nahmen das Frühstück ein. Es schmeckte ihnen nicht.
    Günter ließ sich ein Taxi rufen und verließ die Jachtresidenz »Hohe Düne«, ohne Wiebke noch einmal zu sehen.
    ***
     
    Sie trafen sich in der gemeinsamen Wohnung wieder. Beide hatten sie ein schlechtes Gewissen.
    »Den Start in unser gemeinsames Leben«, sagte Thomas, »den habe ich ja wohl gründlich versaut.«
    Wiebkes Herz schlug bis zum Hals. Sie war bereit, ihm alles zu verzeihen, wenn er nur nichts gemerkt hatte.
    »Ach«, sagte sie mit trockenem Mund. »Ich habe ja gewusst, dass ich einen Arzt heirate. Einen Arzt, der seinen Beruf ernst nimmt. Ich entschuldige mich bei dir.«
    »Wofür willst du dich entschuldigen?«, fragte er, während er an seinem Kaffee nippte.
    Wiebke brach der Schweiß aus. Ahnte er etwas? Hatte er einen siebten Sinn?
    »Na, für die Szene, die ich dir im Restaurant gemacht habe«, sagte sie schnell.
    »Ist schon in Ordnung.« Er lächelte. »Ich weiß ja, dass du eine heißblütige Frau bist, mit der schon mal die Pferde durchgehen.«
    Wieder durchlitt sie die Hitzeschübe des schlechten Gewissens und die Schweißausbrüche der Angst. Aber wenn er etwas wüsste, würde er doch nicht so cool reagieren. Nein, er würde sie rauswerfen, verprügeln oder wer weiß was sonst mit ihr anstellen.
    »Wir können es ja als misslungene Generalprobe werten«, sagte sie. »Dann werden die richtigen Aufführungen umso besser.«
    »Das sehe ich auch so«, sagte er, stand auf und holte einen großen Umschlag. »Mein Geschenk an dich.«
    Es handelte sich um einen gewöhnlichen weißen Umschlag, mit dem normalerweise Urkunden oder Dokumente verschickt werden. Er war aber mit einer großen roten Schleife verziert.
    »Was ist das?«, fragte sie, als sie das Kuvert in ihre kaum merklich zitternden Hände nahm.
    »Schau rein.«
    Sie nestelte an der Schleife, öffnete dann die Verklebung des Umschlages und hielt zwei Gutscheine und Tickets für eine Reise in der Hand.
    »Seychellen?«, stammelte sie. »Wir fahren dahin?«
    »Ja«, sagte er. »Unsere Hochzeitsreise. Weg von der Klinik. Weg von deinen Verbrechern. Nur wir. Und weißer Strand.«
    Sie sprang auf und umarmte ihn. »Danke. Ich liebe dich. So etwas wie gestern passiert mir nie wieder.« Sie hatte Tränen in den Augen.
    »Schon gut.« Thomas klopfte ihr auf die Schultern wie einem nach Trost suchenden Kind. »Am Samstag fliegen wir ab.«
    »Aber ich habe doch keinen Urlaub.«
    »Darum habe ich mich gekümmert. Der Polizeirat war sehr kooperativ.«
    »Du bist ein Schatz.«
    »Ich bin dein Mann.«
    »Ja, und das wirst du immer bleiben.«
    ***
     
    »Zieh dich

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